Forschung: Fleischfressende Pflanzen lagern Insektenfang an Säugetierpartner aus

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Auf Borneo vorkommende insektenfressende Kannenpflanzen lagern ihren Beutefang auf Fledermäuse und andere kleine Säugetiere aus. Diese übernehmen für die Pflanzen nicht nur die Insektenjagd, sondern übergeben diese bereits vorverdaut an die Kannen in Form von nährstoffhaltigem Kot. Das hat ein internationales Wissenschaftlerteam der Universitäten Greifswald, Brunei Darussalam und Cairns/Australien herausgefunden.

Die Kannenpflanzen steigern so ihre Nahrungseffizienz; sie verdauen die aufgenommenen Nährstoffe leichter und ersparen sich unter anderem die Kosten effizienter Anlockmechanismen für Insekten. Als Gegenleistung bieten sie ihren Säugetierpartnern wertvolle Ressourcen wie Quartiere. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt von der Fachzeitschrift Journal of Ecology (DOI 10.1111/1365-2745.12653) veröffentlicht.

Outsourcing, also das Auslagern von Produktionsteilschritten und Dienstleistungen an Servicepartner, erlaubt es vielen Wirtschaftsunternehmen, die eigene Effizienz zu steigern. Dienstleistungen an effizientere Partner abzugeben, kann aber auch in der Natur sinnvoll sein. Das Team um Dr. Caroline Schöner vom Lehrstuhl Angewandte Zoologie und Naturschutz der Universität Greifswald wollte herausfinden, warum manche Kannenpflanzenarten Insekten nicht mehr selbst fangen, sondern dies von Säugetieren erledigen lassen, die sie dafür mit qualitativ hochwertigen Quartieren oder Nektar „bezahlen“. Während die Säugetiere Quartier beziehen oder den Nektar aufnehmen, geben sie ihren stickstoffreichen Kot ab, der von den Kannenpflanzen dann verdaut wird. Dadurch versorgen die Tiere ihre pflanzlichen Interaktionspartner mit bereits vorverdauten und gut aufgeschlossenen Nährstoffen und ergänzen das Nahrungsspektrum der Pflanzen um anderweitig nicht erreichbare Beute. Die Pflanze wiederum kann Kosten sparen, da sie zum Beispiel keine Duftstoffe produzieren muss, um Insekten anzulocken. Letztlich bedeutet dies den Verlust eines Evolutionsmerkmals, das nicht mehr benötigt wird.

Exemplarisch für diese Form der ökologischen Auslagerung hat das Team den Mutualismus zwischen der Kannenpflanze Nepenthes hemsleyana und der Fledermaus Kerivoula hardwickii untersucht, eine Partnerschaft also, die von gegenseitigem Nutzen bestimmt ist. „Die Pflanze interagiert mit insektenfressenden Fledermäusen, welche mit ihrem Kot die Pflanze düngen, während sie sie als Tagesquartier nutzen,“ erklärt Caroline Schöner. Durch Fütterungsexperimente sowohl im natürlichen Habitat der Pflanzen auf der Insel Borneo als auch im Gewächshaus des Botanischen Gartens Greifswald konnte das Team zeigen, dass die Pflanzen viel stärker vom Kot der Fledermäuse als von der ursprünglicheren Insektennahrung profitieren. „Nepenthes hemsleyana weist nicht nur höhere Photosyntheseleistungen auf, wenn sie Zugang zum Kot des Säugetierinteraktionspartners hat, man kann die Vorteile auch im Hinblick auf ihr Wachstum und den Nährstoffgehalt in ihren Blättern erkennen“, erklärt Michael Schöner, der Teil des Forschungsteams war. Und der Leiter der Arbeitsgruppe Angewandte Zoologie und Naturschutz und Seniorautor der Studie, Prof. Gerald Kerth von der Universität Greifswald, fügt hinzu: „Damit machen sich die Pflanzen aber auch sehr abhängig vom Kot der Fledermäuse. Insofern geht es den Pflanzen nicht anders als beispielsweise Autofirmen, die ohne die Kooperation mit den Zulieferern nicht produzieren können.“

Bereits in früheren Untersuchungen konnten die Forscher herausfinden, dass die Kannenpflanzen etwa ein Drittel ihres Stickstoffbedarfs über den Kot der Fledermäuse decken. Jedoch können die Pflanzen gerade nach Perioden extremen Nährstoffmangels den Stickstoff aus Fledermauskot wesentlich schneller aufnehmen als etwa den aus Insekten, wie die Ergebnisse dieser neuen Studie zeigen. Dr. Charles Clarke von der australischen Universität Cairns beschäftigt sich seit Jahren mit der Interaktion zwischen Kannenpflanzenarten und Spitzhörnchen bzw. Ratten. Er vermutet, dass sich dieser Sachverhalt auch auf diese Kannenpflanzen und auf eine Vielzahl weiterer mutualistischer Interaktionen in der Natur übertragen lässt. Dies könnte ein Schlüssel dazu sein, solche Interaktionen an sich und deren Evolution zu verstehen.

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie der University of Brunei Darussalam und der Universität Greifswald finanziert. (Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald)