Dorfgemeinschaften in den Tropen in Afrika, Asien und Südamerika nutzen lokale Wälder längst nicht so nachhaltig wie oftmals angenommen. Dies geht aus einer Studie hervor, die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit dem Center for International Forestry Research (CIFOR) und der Universität Wageningen im Wissenschaftsmagazin Environment Research Letters veröffentlichten. Demnach nahm innerhalb von fünf Jahren in 90% von 233 untersuchten Dörfern mindestens ein Produkt des Waldes, wie beispielsweise Brenn- und Bauholz, Nahrungs- oder Futtermittel, ab.
Die UFZ-Forscher nutzten für die Analyse standardisierte Daten des Center for International Forestry Research (CIFOR), die im Rahmen des PEN-Projektes (Poverty and Environment Network) erhoben wurden. Die Daten basieren auf einer Befragung in 233 repräsentativ ausgewählten Dörfern in den Tropen Afrikas, Asiens und Südamerikas zwischen 2005 und 2010. Interviewt wurden Einwohner meist bäuerlich geprägter, kleinerer Gemeinschaften, die in unterschiedlicher Form von Erzeugnissen von Feuer- und Bauholz sowie von Nahrungsmitteln, Futter oder Arzneimitteln aus angrenzenden Wäldern zumeist auf Subsistenzbasis leben. Die Dorfbewohner wurden beispielsweise danach gefragt, welche natürlichen Ressourcen der Wälder sie nutzen und wie sich die Verfügbarkeit dieser Ressourcen in den zurückliegenden Jahren veränderte.
In 209 und damit in rund 90% aller analysierten Siedlungen gaben die Interviewten an, dass die Verfügbarkeit mindestens einer ihrer Waldressourcen abgenommen hat. Das zeigt sich etwa beim Bauholz. In mehr als 75% der Dörfer in Afrika und in Südamerika, in denen man Bewohner befragte, stellten diese einen Rückgang fest. In Asien lag dieser Prozentsatz bei fast 60 Prozent. Immer weniger Feuerholz konstatierte die lokale Bevölkerung in rund 75 Prozent der untersuchten Dörfer in Afrika, in Asien mehr als 50%. Auch alle anderen Walderzeugnisse wie Nahrungsmittel, Arzneimittel und Futter lassen sich in der Wahrnehmung der Dorfgemeinschaft in Asien und Afrika immer seltener sammeln. „Die Waldressourcen werden teilweise nicht sehr nachhaltig genutzt“, bilanziert Dr. Kathleen Hermans, Erstautorin der Studie und Sozialgeografin am UFZ-Department Landschaftsökologie. Dies sei in dieser Deutlichkeit überraschend gewesen. Allerdings gibt es insbesondere in Südamerika auch Ausnahmen. Dort erklärten Befragte in vielen Gemeinschaften, dass Ressourcen wie Feuerholz, medizinische Pflanzen und Futtermittel in den vergangenen fünf Jahren eher zugenommen hätten oder stabil geblieben seien.
Anhand statistischer Analysen konnten die UFZ-Forscher belegen, dass insbesondere der zu starke Verbrauch der Waldprodukte dafür sorgt, dass diese nicht mehr so häufig vorgefunden werden. „Die Nutzung hat vielerorts zugenommen“, sagt Hermans. Dies könnte zum einen daran liegen, dass in mehr als 90 Prozent der Dörfer in den vergangenen zehn Jahren die Einwohnerzahl, teils aufgrund von Einwanderung, stieg. Ob allerdings ein Zuwachs der Bevölkerung tatsächlich eine höhere Nachfrage nach den Waldprodukten auslöse, müsse auf lokaler Ebene genauer analysiert werden. Interessant wäre zudem zu erforschen, welche Faktoren die Zuwanderung in die Dörfer auslösten. Ein weiterer wichtiger Faktor für den Rückgang der Waldprodukte sind der Studie zufolge auch Rodungen, die durch große Unternehmen und die lokale Bevölkerung vorgenommen werden. Keine so große Rolle beim Rückgang der Waldressourcen in den Tropen spielten dagegen die Besitzverhältnisse sowie gesetzliche und nicht-gesetzliche Regelungen, die auf staatlicher, regionaler oder lokaler Ebene existierten.
In 89 der untersuchten Dörfer nahm die Verfügbarkeit mindestens einer Waldressource nach Einschätzung der Bewohner stärker zu als dass sie abnahm oder stabil blieb. Die UFZ-Forscher führen das vor allem auf den Wechsel von Managementmaßnahmen, den Rückgang von Abholzungen und die geringere Inanspruchnahme der Waldprodukte zurück. Feststellen konnten sie auch, dass die stärkste Zunahme der Waldressourcen in jenen Gemeinschaften stattfindet, in denen die Bevölkerungszahl nur wenig zunahm oder gar zurückging.
Globale standardisierte Informationen aus Dörfern zur Nutzung von Wäldern liegen bislang kaum vor, weil deren Erhebung sehr aufwendig ist. Das macht diese Studie so besonders. Allerdings beruhen die CIFOR-Daten auf einer Befragung der lokalen Bevölkerung und damit auf deren Wahrnehmung. „Die Daten sind keine objektiven Messungen und damit auch nicht frei von Wahrnehmungsverzerrungen“, sagt Hermans. Die Forscherin will die Haushaltsdaten deshalb mit objektiven Daten vergleichen, etwa mit Satellitendaten zur Waldbedeckung im Umkreis der untersuchten Dörfer. Analysieren will sie auch, ob es nicht bestimmte Muster zur Ressourcennutzung sowie zur Ein- und Abwanderung in die Dorfgemeinschaften gibt.
Weiterverfolgen kann Hermans diese Forschungsansätze in einer neuen, von ihr geleiteten Arbeitsgruppe, die Anfang Januar am UFZ ihre Arbeit aufnahm. Das Forschungsteam widmet sich unter dem Titel „MigSoKo – Human migration and global environmental change: A vicious cycle?” den Zusammenhängen zwischen Umweltveränderungen, Bevölkerungsdruck und Migration sowie deren Auswirkungen auf die Umwelt in Trockengebieten der Tropen und beispielhaft auf Äthiopien. Das 1,5 Mio. Euro-Projekt ist auf fünf Jahre angelegt und wird je zur Hälfte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Sozial-ökologischen Forschung und vom UFZ finanziert. (UFZ)