Im Boden gibt es immer noch viel zu entdecken. So fanden Forscher der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) bei Kirchweidach im Landkreis Altötting zwei aus Deutschland bisher nicht bekannte Regenwurmarten.
Durch den Erstfund von – Vorsicht Zungenbrecher – Octodrilus pseudolissaensioides und Proctodrilus ophistoductus sind nun aus Deutschland 49 verschiedene Regenwurmarten bekannt. Aufgrund der versteckten Lebensweise vieler Organismen im Boden weiß man häufig zu wenig über ihre Verbreitung und ihre Ökologie. Um diese Lücke zu schließen untersucht die Arbeitsgruppe Bodentiere am Institut für Agrarökologie der LfL die Bodenfauna von Feldversuchen und Dauerbeobachtungsflächen in Bayern. Denn besonders Regenwürmer sind für die Landwirtschaft wichtige Nützlinge im Boden. Sie lockern und durchlüften das Erdreich, arbeiten organisches Material ein und verbessern die Wasseraufnahmefähigkeit.
Das vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanzierte Forschungsprojekt, welches die „Neubürger“ zu Tage förderte, wird in Kooperation mit dem Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) in Straubing durchgeführt und beschäftigt sich mit der Durchwachsenen Silphie. Sie ist eine mehrjährige Energiepflanze, die eine gelb blühende Alternative zu Mais als Biogassubstrat darstellen kann. Im Vergleich zu regelmäßig gepflügten Äckern profitieren Regenwürmer von dieser Alternative, wie auch die Untersuchungen in Kirchweidach zeigten.
Beide Regenwurmarten sind den sogenannten Mineralschichtbewohnern zuzuordnen. Im Gegensatz zu den tiefgrabenden Regenwürmern wie dem großen Tauwurm (Lumbricus terrestris), die senkrechte Röhren anlegen und darin Streu von der Bodenoberfläche einziehen, oder den Streubewohnern, die in den obersten organischen Bodenschichten leben, graben sich die Mineralschichtbewohner mehr oder weniger kreuz und quer durch die Erde und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Feindurchmischung des Bodenmaterials. Während der etwa 6 bis 11 cm lange, graue Octodrilus pseudolissaensioides bereits im November 2014 gefunden wurde, gelang der Nachweis des mit 2,5 bis 7,5 cm deutlich kleineren Proctodrilus ophistoductus, im Herbst 2016. Beide Arten wurden sowohl auf einer mit der Durchwachsenen Silphie bestellten Ackerfläche als auch auf Grünlandflächen um Kirchweidach nachgewiesen.
Die nächsten bekannten Funde von Octodrilus pseudolissaensioides stammen aus Österreich, etwa 60 km entfernt. Bei Proctodrilus ophistoductus handelt es sich in Kirchweidach wahrscheinlich um das nordwestlichste, bislang bekannte Vorkommen in Europa. Da die Bestimmung von Regenwürmern nicht immer ganz einfach ist, wurden die Tiere nochmals von Spezialisten „unter die Lupe genommen“. Dies übernahm für Octodrilus pseudolissaensioides Prof. Csaba Csuzdi aus Ungarn und für Proctodrilus ophistoductus Dr. Norbert Höser aus Thüringen, der viele Studien in Rumänien durchführte. (LfL)