Zwei Schreiner aus Nidwalden spüren im wahrsten Sinne des Wortes im Wald geeignete Bäume auf. Gefällt werden die Stämme im Dezember bei abnehmendem Mond. Das Mondholz soll spezielle Eigenschaften haben.
Franz De Baere hält die Linde mit beiden Händen fest und geht in sich. Er spüre so heraus, ob der Baum zum Schlagen bereit sei oder ob dieser noch länger am steilen Hang in Grafenort stehenbleiben möchte. "Ich glaube, den dürfen wir nehmen", sagt er nach kurzem Nachdenken zu Urs Jann. Die beiden haben sich auf die Verarbeitung von Mondholz spezialisiert. Zu solchem wird Holz, wenn der Baum im Dezember bei abnehmendem Mond aber noch vor dem Neumond gefällt wird. Mondholz gilt schon seit Jahrhunderten bei Instrumentenbauern und Zimmerleuten als besonders widerstandsfähig und stabil. "Unsere Kunden schätzen es vor allem wegen den Energien, die der Baum während seines langen Lebens aufgenommen hat", sagt De Baere.
Die Mondholztischler sind zudem überzeugt, dass der respektvolle Umgang mit den Bäumen wichtig ist. Jeder Baum habe schliesslich seine eigene Geschichte. Je langsamer das Wachstum und je länger das Leben, desto besser. Der normale Schreiner bestelle sein Holz einfach beim Händler, egal wo und wann dieses geschlagen worden sei. "Wir wissen hingegen bei jedem von unseren Betten, wo sein Ursprung ist", sagt De Baere.
Exoten im rauen Forstalltag
Revierförster Andreas Mathis und der Landwirt Walter Niederberger hören dem Gespräch aufmerksam zu. Sie sind vor allem froh, dass die Linde nun doch noch zu einem vernünftigen Preis verkauft werden kann. Die Preise für Schweizer Laubholz sind zurzeit im Keller. Was halten sie von Mondholz? Humbug oder tiefgründige Wahrheit? "Ich habe auch schon gehört, dass Holz nicht brennt, wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt gefällt wurde", sagt Baumbesitzer Niederberger und zuckt mit den Schultern. Mathis beobachtet ein steigendes Interesse am Thema. Der vom Kanton Nidwalden angestellte Förster war in den letzten Jahren deutlich öfter mit Mondholzkäufern im Wald, um Bäume zu markieren. Die Ansprüche seien dabei spezieller als bei den üblichen Forstarbeiten im Wald, die vor allem rationell und schnell ablaufen müssten, und das völlig unabhängig von der Jahreszeit. Die Schweizer Waldwirtschaft leidet seit Jahren an der billigen Konkurrenz aus dem Ausland, selbst die SBB verlegen ihre Schienen auf Schwellen aus dem Osten. Exoten wie De Baere und Jann sind für Mathis deshalb eine angenehme Abwechslung im sonst ziemlich rauen forstwirtschaftlichen Umfeld. Bei den von De Baere und Jann sorgfältig ausgewählten Bäumen bestimmen der Mondkalender und die Natur den Takt. "Es kann vorkommen, dass man sich den Weg durch den Schnee zuerst freischaufeln muss, weil das Erntefenster auf ein paar wenige Tage im Dezember eingeschränkt ist", sagt der Förster. Während bei der industriellen Waldernte die Bäume möglichst schnell entastet und mit grossen Forstmaschinen aufgestapelt werden, bleibt der gefällte Mondholzstamm mit allen Ästen noch etwa drei Monate liegen. "Das Wasser verdunstet besser, der Baum trocknet natürlich aus und behält die Energie", erklärt Jann. Vor zwei Jahren habe sein Transporteur erstaunt berichtet, dass die Ladung mit Mondholz auf der Waage viel weniger Gewicht angezeigt habe, als er das bei normalen Rundhölzern gewohnt sei.
Teure Betten
Die speziellen Anforderungen an die Mondholzproduktion wirken sich auf den Preis aus. In einem massiven Bett aus der Mondholzwerkstatt steckt rund ein Kubikmeter Holz, es kostet deshalb bis zu 7’000 Franken. Der Kunde könne aber seine eigenen Wünsche anbringen. Jedes Möbel sei ein Unikat. Es müsse sowieso nicht immer gleich ein ganzes Bett sein, sagt Jann. "Viele spüren bereits einen positiven Effekt, wenn Sie unter dem Lattenrost ihres bisherigen Bettes ein Mondholzbrett montieren."
Streng Wissenschaftlich ist das zwar alles nicht gesichert, obwohl eine Studie der Fachhochschule für Architektur, Bau und Holz in Biel vor ein paar Jahren zeigte, dass der Mond tatsächlich einen Einfluss auf die Trocknung und Holzdichte hat. Viele Waldeigentümer glauben seit Generationen an den Einfluss von Mondphasen auf die Holzqualität. Selbst die Branchenzeitschrift Wald und Holz publiziert jedes Jahr den Forstlichen Mondkalender. Nur auf dem aktuellen Holzmarkt scheint es keinen grossen Platz für derartig "altertümliches" Gedankengut zu haben. Ein grosser Teil des in der Schweiz verwendeten Bauholzes kommt wegen des günstigeren Preises aus dem Ausland. Eine vertane Chance findet Franz De Baere: "Was gäbe es Wohltuenderes als in einem Haus aus Schweizer Mondholz zu leben?"