Der Gartenmonarch – Ein Winzling, zuhause im Gestrüpp

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Vogelkundler nennen ihn Traglodytes, was auf Deutsch "Höhlenbewohner" heißt. Aber weder der wissenschaftliche Zungenbrecher noch der nüchterne Verweis auf seinen kugeligen Nestbau werden der besonderen Liebenswürdigkeit dieses winzigen Vogels gerecht, dessen Name jeder kennt und den man nur bei aufmerksamem Hinsehen hin und wieder zu Gesicht bekommt. Die Rede ist vom Zaunkönig. Aber woher hat der Knirps nun seinen Namen? Im niederdeutschen Sprachraum wurde der drittkleinste Vogel Europas lange "Zaunschlüpfer" genannt. In anderen Regionen sprach man von "Königlein". Aus diesen beiden Bezeichnungen entwickelte sich nach und nach der heute gebräuchliche Name.

Zum Monarchen aufschwingen wollte sich der nur zehn Zentimeter große Zehngrammwinzling mit dem charakteristischen, aufrechten Stummelschwänzchen laut einer alten Fabel aber tatsächlich einmal: Danach beschlossen die Vögel, denjenigen von ihnen zum König zu machen, der am höchsten flöge. Der Zaunkönig mit seinen kurzen Flügeln ersann eine List und versteckte sich im Gefieder des Adlers, um sich zusammen mit ihm in höchste Flughöhen tragen zu lassen. Der versuchte Trick scheiterte schon in der Legende kläglich und so schlüpft der Zaunkönig auch heute weiterhin in Bodennähe durch Zäune und dichtes Buschwerk.

Auf der Suche nach Spinnen, Weberknechten, Nachtfaltern und Fliegen sowie deren Eiern und Larven, kommt ihm sein zierlicher Körper sehr gelegen. Er gelangt leicht in die kleinste Ecke und mit seinem dünnen Schnabel in die feinste Ritze. Wird ihm nachgestellt, kann er sich noch tiefer ins Dickicht verkriechen – unerreichbar für seine Feinde und sicher. Zurückgeworfen auf seine ureigene Bodenständigkeit zeigt der Zaunkönig in Sachen Dynastie-Erhalt jedoch monarchische Generosität: Ab Ende April baut das Männchen gleich mehrere Kugelnester, aus denen er seine Königin das aussuchen lässt, welches ihr am besten gefällt. Sie baut den Rohbau dann zu Ende und polstert ihn aus – macht das Kugelnest zur Wohnstätte ihrer fünf bis sieben Küken, die es nach dem Schlüpfen nicht einmal vierzehn Tage lang bewohnen. Wo es reichlich Nahrung gibt, legen sich die Männchen auch schon einmal einen Harem zu. Für genügend Nest-Rohbauten haben sie in der Regel ja schon gesorgt.

Ganz so märchenhaft verläuft das Leben der Zaunkönige dann allerdings leider doch nicht immer. In strengen Wintern werden ganze Populationen dahingerafft, wenn die Tiere bei geschlossener Schneedecke keine Chance haben, an die im Laubstreu verborgenen Insekten zu gelangen. Zwar gilt ihre Art mit hierzulande etwa zwei Millionen Brutpaaren nicht als gefährdet, dennoch profitiert ihr Bestand von einer Ganzjahresfütterung durch den Menschen. „Ideal für Zaunkönige ist insektenreiches, von naturbelassenem Fett ummanteltes Weichfutter", erläutert Christine Welzhofer, Expertin für Wildvogelfütterung aus dem bayerischen Gessertshausen. „Da es in unseren aufgeräumten Gärten und Agrarlandschaften in den letzten Jahrzehnten bis zu 30 Prozent weniger Insekten gibt, hilft die Zufütterung den Vögeln im Frühjahr und Sommer mehr Bruten durchzubringen. Im Herbst und in kalten Wintermonaten sorgt sie außerdem dafür, dass Zaunkönigpopulationen nicht kollabieren." Wer den Tieren darüber hinaus Gutes tun möchte, kann ihnen im Garten katzensicher aufgehängte Halbhöhlen anbieten. Diese werden vom Zaunkönig als Brutstätte gerne angenommen. Zu einem idealen Lebensraum für die Vögel gehören außerdem intakte, insektenreiche Laubschichten und ein bodennaher dichter Bewuchs im Garten, so Welzhofer. Hier könnten sie dann ganz nach Zaunkönigart, durch Gestrüpp und Zäune schlüpfen. (Quelle: Welzhofer)