Heilpflanze Arnika: Ist in Norddeutschland genetisch arm dran

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Insbesondere in Norddeutschland ist die Wildpflanze Arnika (Arnica montana) vom Aussterben bedroht. Die Art leidet unter genetischer Verarmung in ihren stark voneinander isolierten und kleinen Populationen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler am Botanischen Garten und Botanischen Museum der Freien Universität Berlin. Sie haben im Rahmen eines vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) geförderten Projekts die Wildart Arnica montana bundesweit genetisch untersucht. Die Forschungsergebnisse werden zusammen mit Empfehlungen für den Naturschutz in der August-Ausgabe des Fachjournals „Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics“ veröffentlicht. Online steht der Artikel bereits zur Verfügung. Die vorliegende Untersuchung an Arnika ist die erste bundesweite Untersuchung in diesem Umfang für eine krautige Pflanze. Sie ist eine wichtige Grundlage für eine nationale Strategie zum Schutz dieser Pflanzenart.

Die Forschungsergebnisse belegen, dass eine Arnikapflanze nicht wie die andere ist. Zwischen den einzelnen Naturräumen in Deutschland – wie das Norddeutsche Tiefland, die Mittelgebirge, das Alpenvorland und die Alpen – bestehen extrem hohe genetische Unterschiede. Die Arnikapopulationen sind geographisch voneinander differenziert. Aber auch das Ausmaß der genetischen Variabilität innerhalb der verschiedenen Populationen und Naturräume ist ganz unterschiedlich. Dramatisch ist die Situation im Norddeutschen Tiefland: hier sind die Populationen von Arnica montana bereits genetisch verarmt und zeigen tendenziell zunehmende vegetative Vermehrung.

Gleich mehrere Empfehlungen geben die Wissenschaftler für den praktischen Artenschutz. Statt großangelegter und identischer Naturschutzmaßnahmen quer durch Deutschland sind viele kleine und geographisch angepasste Naturschutzmaßnahmen notwendig. Nur so lässt sich den Forschern zufolge die genetische Vielfalt der unterschiedlichen Wildarten-Populationen tatsächlich erhalten. Die genetische Vielfalt ist immerhin ein erklärtes Ziel in Deutschlands Nationaler Strategie zur biologischen Vielfalt. Bisher gab es dazu aber kaum Daten. Molekulare Untersuchungen können einerseits „genetisch besonders wertvolle Flächen“ aufzeigen und bei der Priorisierung von Naturschutzmaßnahmen helfen. Sie geben aber auch Anhaltspunkte dafür, ob Populationen fit für das Überleben in der Zukunft sind und welche Maßnahmen sinnvoll sind um das Überleben zu sichern. Künftige Naturschutzmaßnahmen sollten daher genetische Untersuchungen von gefährdeten Arten berücksichtigen.

So kann die gezielte Einführung von außerhalb einer Population lebenden Arnikapflanzen die genetische Verarmung einer kleinen und isolierten Population beleben und ihren Bestand vor Ort stärken. Dieser in Naturschutzkreisen bisher sehr kritisch diskutierte Ansatz bekommt mit der vorliegenden Untersuchung nun wissenschaftlich fundierte Rechtfertigung. Bislang wird derartiges Eingreifen des Menschen in die Natur im Naturschutz eher vermieden, um keine zusätzliche Veränderung der Natur beziehungsweise Florenverfälschung zu erzielen. Denn immerhin wird „ortsfremdes“ genetisches Material in eine Population eingemischt. Bei einem solchen „assistierten Genfluss“ ist es den Forschern zufolge entscheidend, diesen Eingriff nur wissenschaftlich kontrolliert durchzuführen. So dürften nur ganz eng verwandte Populationen ausgewählt werden. Denn würde man beispielsweise genetisch sehr unterschiedliche Populationen aus Norddeutschland mit Arnikapflanzen aus den Alpen mischen, könnten regional angepasste Populationen mit ihrer spezifischen genetischen Ausstattung verloren gehen. Eine weitere Verarmung der genetischen Diversität wäre dann die Folge.

In Mitteleuropa wurde die Artenvielfalt insbesondere von Wiesen und Weiden (das sogenannte Grünland) seit Jahrhunderten durch menschliche Nutzung beeinflusst. Entstanden sind vielfältige Landschaften mit einem Mosaik von Lebensräumen. Doch seit den letzten Jahrzehnten führen intensivierte Landnutzung und Verlust von Lebensräumen zu einem weiträumigen Verlust von Populationen früher mittelhäufiger Arten wie der Arnika. Der Erhalt der genetischen Vielfalt jedoch ist wichtig, weil sie die Grundlage für die Anpassungsfähigkeit von Populationen gegenüber künftigen Umweltveränderungen ist.

Die Biologen haben insgesamt 30 Populationen bzw. 561 Exemplare der Arnika quer durch Deutschland sowie aus den alpinen Regionen Italiens, Frankreich, Schweiz und Österreich untersucht. Die Forscher analysierten die genetische Architektur der Arnikapopulationen mit einem klassischen DNA-Analyse-Verfahren. Dabei wurden wiederholte, kurze DNA-Abschnitte (Mikrosatelliten) aus den Zellkernen ausgewertet, um Proben von verschiedenen Individuen zu vergleichen.

Arnika ist eine Wildpflanzenart „nationaler Verantwortlichkeit Deutschlands". Für deren Schutz hat Deutschland international eine besondere Verantwortung, weil ein hoher Anteil der Weltpopulation dieser Art in Deutschland vorkommt. Der Bestand von Arnika nimmt in Deutschland aufgrund intensiverer landwirtschaftlicher Nutzung und Lebensraumzerstörung fortwährend ab. Ursprünglich ist Arnika eine typische Art der nährstoffarmen Graslandschaften und Bergwiesen. Sie kann auf Meeresniveau nahe der Ostsee bis in 3000 Meter Höhe in den Alpen wachsen. Arnika gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) und ist entfernt verwandt mit Studentenblume und Dahlie. Ihre gelben Röhrenblüten und Zungenblüten sind charakteristisch in Köpfchen angeordnet. Arnika ist eine auch heute noch sehr wichtige Arzneipflanze und wird meist äußerlich bei stumpfen Verletzungen der Muskel und Gelenke verwendet.

Allgemeines zum Projekt
Die Untersuchungen sind Teil eines Modellprojekts zum Schutz gefährdeter Pflanzenarten in Deutschland, im Auftrag des Bundesamts für Naturschutz (BfN). Titel: Integration von Ex-situ- und In-situ-Maßnahmen zur Erhaltung gefährdeter Blütenpflanzen in Deutschland – ein Modellvorhaben zur Umsetzung der Global Strategy for Plant Conservation (GSPC)

Laufzeit: 1.12.2012 – 31.05.2017
Zielsetzung: Im Projekt werden sieben einheimische gefährdete Wildpflanzenarten, für die Deutschland eine hohe Verantwortlichkeit besitzt, genetisch untersucht, um basierend auf den Ergebnissen Szenarien für ein Erhaltungsprogramm sowie Handlungsanleitungen für die Integration von in situ und ex situ Naturschutzmaßnahmen zu erarbeiten. (Botanischer Garten Berlin)