Senckenberg-Forschende habe in einer groß angelegten Studie gezeigt, dass sich Wildkatzen in Deutschland nur sehr selten mit Hauskatzen paaren. Das Wissenschaftlerteam untersuchte über 1.000 „genetische Fingerabdrücke“ der Katzen und zeigt in der kürzlich im Fachjournal „Ecology and Evolution“ erschienenen Studie, dass nur etwa drei Prozent der untersuchten Wildkatzen deutliche Spuren von Hauskatzen-DNA im Erbgut tragen.
Wildkatzen sind aufgrund ihrer scheuen Lebensweise nur sehr schwer zu beobachten und nicht einfach von getigerten Hauskatzen zu unterscheiden. „In Deutschland kommen rein rechnerisch auf eine Wildkatze mehr als tausend Hauskatzen. Man sollte demnach davon ausgehen, dass Wild- und Hauskatze häufig aufeinandertreffen und sich auch paaren“, erklärt Annika Tiesmeyer, Doktorandin am Senckenberg Forschungsinstitut und an der Goethe-Universität Frankfurt.
Verpaaren sich Haus- und Wildkatze, entstehen sogenannte „Blendlinge“ oder „Hybride“, die weiter fortpflanzungsfähig sind. „Im Laufe der Zeit könnten im schlimmsten Fall die heimischen Wildkatzen durch eine andauernde Vermischung mit Hauskatzen sogar gänzlich aussterben“, fügt Tiesmeyer hinzu. Genau dies ist in einigen Europäischen Regionen bereits weit fortgeschritten: In Schottland etwa gibt es wahrscheinlich keine echten Wildkatzen mehr, die Population besteht vollständig aus Mischlingen aus Haus- und Wildkatze. Auch in der Schweiz und Frankreich wurde in 12% der untersuchten Proben Merkmale von Haus- und Wildkatzen im Erbgut gefunden, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt.
Umso überraschender ist das Ergebnis der Senckenberger Wildtiergenetiker: „Wir haben 1071 Wildkatzen-Proben aus ganz Deutschland untersucht, die uns von Kooperationspartnerinnen und -partnern, wie etwa dem BUND, eingeschickt wurden. Nur bei 37 der untersuchten Tiere wurde ein Hybridisierungsereignis festgestellt. Wir haben damit in Deutschland eine der geringsten Hybridisierungsraten in Europa“, fasst Dr. Katharina Steyer zusammen, die im Rahmen ihrer Promotion am Senckenberg Forschungsinstitut und der Goethe-Universität Frankfurt an Wildkatzen geforscht hat. Warum sich die über 10 Millionen Hauskatzen in deutschen Haushalten so selten mit den 5.000 bis 10.000 Wildkatzen kreuzen, können auch die Forschenden noch nicht genau erklären. Tiesmeyer hierzu: „Wild- und Hauskatzen treffen sich durchaus draußen am Waldrand, das wissen wir durch Untersuchungen mittels Haarfallen. Hybride scheinen aber zumeist dort vorzukommen, wo sich Wildkatzen gerade ausbreiten und wilde Paarungspartner ‚Mangelware’ sind.“
Seit einiger Zeit geht es der Wildkatze in Deutschland wieder deutlich besser und die Bestände breiten sich aus. „Genau hier liegt wahrscheinlich der Grund für den geringen Hybridisierungsgrad“, erläutert Dr. Carsten Nowak, Leiter des Fachgebiets Naturschutzgenetik am Senckenberg Forschungsinstitut und fährt fort: „Ein gesunder Wildkatzenbestand verhindert Hybridisierung. Verschlechtern sich die Umweltbedingungen, kann sich die Situation auch wieder ändern und die Hybridisierung zunehmen“.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Grad der Hybridisierung sind für einen nachhaltigen Schutz der Wildkatze von großer Bedeutung. Neben dem tagtäglich zunehmenden Lebensraumverlust sowie dem Straßenverkehr galt die Hybridisierung, also die Vermischung von Wild- und Hauskatzen, bislang als hauptsächliche Gefährdungsursache für die Wildkatze. „Die neuen Ergebnisse geben zumindest für den Gefährdungsfaktor Hybridisierung Entwarnung“, so Steyer.
Daher plädieren die Senckenberger dafür die Wildkatzenbestände auch in Zukunft in ausgewählten Referenzgebieten weiter mit genetischen Methoden im Blick zu behalten. „Trotz der erfreulichen Nachrichten aus dem Labor bleibt das Tier des Jahres 2018, die Wildkatze, eine bedrohte und seltene Art. Die langfristige Beobachtung ihrer Bestände verrät uns viel über den Zustand unserer Umwelt“, resümiert Nowak. (Senckenberg)