Forschung: Was steckt drin in der Tomate?

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Anbau und Züchtung von Nutzpflanzen war die Grundlage für eine sesshafte Lebensweise. Aber wie hat dieser menschliche Einfluss sich auf die Pflanzen und ihre chemische Zusammensetzung ausgewirkt? Diese Frage stellten sich Forscher aus China, Amerika, Bulgarien und Deutschland, darunter Alisdair Fernie vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie (MPI-MP). Das Ziel ihrer Arbeit war es, einen Einblick in die Tomatenzucht und ihre Folgen zu gewinnen. Die Wissenschaftler*innen untersuchten die stoffliche Zusammensetzung und das Erbgut der Früchte und veröffentlichten zum ersten Mal einen Überblick über den menschlichen Einfluss auf die chemische Zusammensetzung einer Nutzpflanze.

Tomaten und ihre wilden Verwandten
Tomaten stammen ursprünglich aus Süd- und Mittelamerika, wo sie bereits von den Maya kultiviert wurden. Die Heimat ihrer wilden Verwandten liegt in den Anden, wo sie als Wildtomaten mit kleinen zum Teil bitteren bis giftigen Beerenfrüchten vorkommen. Die Tomaten gehören zur Familien der Nachtschattengewächse (Solanaceae), zu denen neben Lebensmittel wie Kartoffeln und Paprika auch Giftpflanzen wie die Tollkirsche gehören. Verantwortlich für die Bitter-/Giftstoffe sind Alkaloide, die die Pflanze zur Abwehr von Fraßfeinden und Krankheitserregern bildet. Im Zuge der Domestikation der Tomate und durch moderne Züchtungsmethoden wurden die Bitterstoffe in den Tomaten zurückgedrängt und die Früchte auf Größe selektiert und gezüchtet.

Herausforderungen der Züchtung
Die Vererbung ist ein komplexer Prozess und die Züchtung von Pflanzen im Hinblick auf erwünschte Merkmale ein schwieriges Unterfangen. Die Ursache dafür liegt darin, dass Merkmale wie beispielsweise die Fruchtgröße von mehreren Genen bestimmt werden. Außerdem können Gene auch in unterschiedlichen Varianten in einem Lebewesen vorliegen. Das ist vergleichbar mit der Verschriftung von Lauten. So kann ein Laut durch unterschiedliche Schreibweisen wiedergegeben werden. Beispielsweise werden tief, aktiv, Kopf, Delphin unterschiedlich geschrieben, die Buchstaben f, v, pf oder ph klingen in den Worten aber sehr ähnlich. So kann auch der DNA-Code eines Gens unterschiedlich „geschrieben“ werden, was wiederum eine unterschiedliche Merkmalsausprägung verursacht. Damit aber nicht genug, die Ausprägung von Merkmalen ist nicht nur eine Frage der Gene und Genvarianten, sondern auch der Umwelt, die gleichfalls auf die Ausprägung von quantitativen Merkmalen einwirken kann.

Moderne Methoden bieten neue Möglichkeiten Züchtungsergebnissen auf den Grund zu gehen
Bleibt man beim Beispiel der Tomaten, so kann man sich leicht vorstellen, dass die Zucht im Hinblick auf größere Früchte auch von anderen Änderungen in der Pflanze begleitet sein muss. Die Früchte sind ja nicht nur größer, weshalb die Anzahl der Zellen erhöht werden muss, sondern für die größeren Früchte müssen auch mehr Inhaltsstoffe oder auch andere Inhaltsstoffe gebildet werden. Eine Vergrößerung der Früchte muss daher einhergehen mit einer Änderung auf Ebene der Erbinformation und deren Ablesung und ihre Übersetzung in (Stoffwechsel-)Prozesse.

Moderne Techniken und Analysemethoden bieten die Möglichkeit Pflanzen auf unterschiedlichen Ebenen zu untersuchen. Genau das haben die Wissenschaftler in der vorliegenden Studie getan. „Wir haben die genetische und die inhaltliche Zusammensetzung von 610 Tomaten verschiedenen Ursprungs untersucht und miteinander verglichen. Darunter waren 42 Wildarten und 568 Tomaten verschiedener Herkunft“, erläutert Alisdair Fernie den Ansatz der Studie.

Beim Vergleich von Wild- und Kulturtomate ist entscheidend, dass aus den kleinen eher beerenartigen Früchten der Wildsorten fast hundertfach vergrößerte, rote Früchte entstanden sind. Die Änderung der Inhaltsstoffzusammensetzung ist auf zwei unterschiedliche Stadien zurückzuführen. Zum einen auf die Domestizierung, zum anderen auf die Züchtungsphase, bei der der Ertrag durch die Produktion größerer Früchte verbessert werden sollte. Diese beiden Phasen hatten laut der Forscher und Forscherinnen vermutlich unterschiedliche Einflüsse auf die chemische Zusammensetzung der Frucht.

Gene im Huckepack
Mit Hilfe der umfangreichen Genom- und Inhaltstoffanalysen konnten die Forscher zeigen, dass das Zuchtstadium zur Verbesserung der Tomate einen größeren Einfluss auf die stoffliche Zusammensetzung hatte als die Phase der Domestizierung. „Wir fanden zwei verschiedene Selektionsmechanismen in der Züchtungsphase. Zum einen wurde der Geschmack direkt gezüchtet, indem Früchte mit weniger Bitterstoffen ausgewählt wurden. Darüber hinaus fanden wir Hinweise, dass die Fruchtgröße ganz entscheidend im Zusammenhang mit dem Geschmack stand und er somit indirekt gezüchtet wurde“, erklärt Alisdair Fernie. Es hat den Anschein, dass die Gene, die für den Stoffwechsel der Inhaltsstoffe zuständig sind „Huckepack genommen“ werden von den Genen die im Zusammenhang mit der Fruchtgröße stehen. Sie hängen sich also an die Gene, die für die Fruchtgröße verantwortlich sind und werden dadurch zusammen mit diesen vererbt. Die Forscher schließen aus, das die Gene für die Fruchtgröße einen direkten Einfluss auf die Inhaltsstoffe haben. Dass die größeren Früchte also die geschmacklich passenden Inhaltsstoffe enthalten, ist somit also eher Zufall und ist nicht auf direkte Auswahl durch die Züchter zurückzuführen.

Kontrollmechanismen verstehen, Zuchtprogramme verbessern
Die Daten, die aus diesen Untersuchungen gewonnen wurden, geben Einblicke in die Variationen des Stoffwechsels und seine genetische und biochemische Kontrolle. Das nun verfügbare Wissen über die chemische Zusammensetzung der Tomate und der molekularbiologischen Zusammenhänge könnte es ermöglichen die Fruchtqualität in entsprechenden Zuchtprogrammen zu verbessern. Außerdem können diese Daten in weiteren Studien genutzt werden, um die Kontrollmechanismen des Stoffwechsels der Tomaten noch detaillierter zu untersuchen und zu verstehen. (Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie)