NABU: Wenn ein Vogel den Unterschied macht

von

in

Im Juni 2013 schlüpfte in einem Brutschrank in Brandenburg ein Schreiadler. In monatelange Handarbeit wurde er von Ehrenamtlichen aufgezogen. “BB” steht auf seinem Kennring, den er um den Fuß trägt, als er im August 2013 ausgewildert wird. Erst 2019 wurde das Schreiadler-Männchen erneut in Deutschland gesichtet, als es selbst brütete. Jetzt ist dieser Vogel in einem Windpark nördlich von Berlin zu Tode gekommen.
Der Schreiadler ist die zweitseltenste Adlerart in Deutschland. War er einst fast im ganzen Land verbreitet so gibt es ihn jetzt nur in einem kleinen Gebiet im Nordosten. Es gibt derzeit etwa 120 Brutpaare, daher ist die Art in Deutschland vom Aussterben bedroht. Erst mit mindestens vier Jahren erreichen Schreiadler die Geschlechtsreife. Bekamen sie in früheren Jahren regelmäßig bis zu zwei Jungtiere, wovon bereits naturgemäß nur eins überlebt, sind es heute im Schnitt nur noch 0,5 Jungtiere pro Brutpaar. Die Jungenaufzucht teilen sich die Alttiere und sind dabei aufeinander angewiesen. Fällt ein Altvogel aus, bedeutet das den Tod für die Jungvögel.  

Doch warum geht es dem Schreiadler in Deutschland so schlecht? 

Die Vögel kämpfen mit der veränderten Landnutzung. Auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen finden sie nicht ausreichend Nahrung. Doch auch artenreiches Grünland gibt es immer weniger. Auch der Klimawandel macht ihnen zu schaffen. So sorgt die zunehmende Trockenheit im Nordosten Deutschland dafür, dass Schreiadler kaum noch Amphibien finden, die normalerweise fünfzig Prozent ihrer Nahrung ausmachen. Umso stärker sind sie damit auf Mäuse als Nahrungsquelle angewiesen und haben wenig Ausweichmöglichkeiten. Auch auf ihrem Zug Richtung Süden droht den Vögeln Gefahr. In Ländern wie der Türkei und dem Libanon kommt es immer wieder zu illegalen Abschüssen von Schreiadlern. 

Angesichts der schlechten Ausgangslage der Schreiadlerpopulation in Deutschland ist die Windenergie eine weitere Gefahrenquelle. Schon der Verlust einzelner Individuen kann sich auf die gesamte Population auswirken, umso mehr, wenn es sich um brütende Alttiere handelt. Entscheidend ist deshalb, dass sensible Naturbereiche vom Ausbau der Windenergie ausgenommen werden. Und auch auf Flächen, die für die Windenergie ausgewiesen werden, muss jeweils untersucht werden, welche Arten im Bereich des geplanten Windparks vorkommen und diese dann zu schützen.  

Der aktuelle Fall des Schreiadlers “BB” nördlich von Berlin zeigt: An kritischen Standorten kann es zu populationsbelastenden Konflikten mit dem Artenschutz kommen. Damit das nicht passiert, sind eine Flächenausweisung unter strenger Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Gegebenheiten und der Abstandsempfehlungen des Helgoländer Papiers entscheidend. Dies gilt umso mehr, als dass die Bundesländer jetzt zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie ausweisen sollen. 

Dazu sagt NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: “Vor allem die gute Auswahl der Flächen hat entscheidenden Einfluss darauf, wie gut Naturschutz und Klimaschutz sich gegenseitig ergänzen. Windenergiesensible Arten benötigen noch mehr Unterstützung. Gezielte Artenhilfsprogramme aber auch Renaturierung können unter anderem durch lebensraumfördernde Maßnahmen die vom Windenergieausbau betroffenen Arten unterstützen. Der Schreiadler profitiert zum Beispiel von der gezielten Wiedervernässung von Mooren und Wiesen, gleichzeitig ein starker Beitrag zum natürlichen Klimaschutz." (NABU)