Klassischer Weise wird das Haus beim Frühlingsputz auf Vordermann gebracht, wohingegen sich Hausbesitzer ihrem Garten vornehmlich im Herbst annehmen. Alles in Ordnung bringen, aufräumen und auf den Winter vorbereiten – das galt lange Zeit als gesetzt. Doch seit einigen Jahren wandelt sich diese Devise: Profis raten verstärkt dazu, auf dem herbstlichen Grundstück eher weniger aktiv zu werden.
Gelassener und umsichtiger
„Gerade in Bezug auf Stauden und Gräser gibt es andere Erfahrungen und Erkenntnisse", weiß Wolfgang Groß vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL). „Wurde früher schon vor dem Winter zur Schere gegriffen, sollten sich Gartenbesitzer damit heute ruhig bis ins neue Jahr Zeit lassen!" Gründe dafür gibt es viele. An erster Stelle steht ein gesteigertes Bewusstsein der Menschen für Biodiversität und die Bedeutung privater Gärten als Lebensraum für wildlebende Tiere. Daraus folgt, dass es in Bezug auf die Pflanzen nicht mehr nur um den Zierwert geht, sondern auch um den Nutzen für Umwelt, Tier und Mensch. „Lange Zeit gehörte Vertrocknetes und Verblühtes direkt auf den Kompost, mittlerweile ist die Einstellung gelassener und umsichtiger", so Groß.
Vorteile im Winter
Die trockenen Blütenstände und Halme sind ein wichtiger Winterschutz für die bereits angelegten Knospen der Gewächse für das Folgejahr – das ist beispielsweise bei Bauernhortensien der Fall. Bei Gräsern und Stauden halten sie außerdem den Wurzelbereich von Frost und Feuchtigkeit frei. „Werden die Halme von hohen Gräsern bereits vor dem Winter abgeschnitten, kann durch sie das Wasser direkt in den Wurzelbereich gelangen", erläutert Wolfgang Groß vom BGL. „Besser ist es, die hohen Halme von Ziergräsern wie Chinaschilf oder Rutenhirse locker zusammenzubinden."
Warten Gartenbesitzer mit dem Schnitt der Stauden und Gräser bis ins nächste Jahr, tun sie auch der Tierwelt etwas Gutes. So bieten die trockenen Stängel nützlichen Insekten eine wichtige Überwinterungsmöglichkeit, wo diese wiederum für Vögel im kargen Winter eine gute Nahrungsquelle sind. Das herabgefallene Laub der Bäume wird aufgehäuft zu einem Winterunterschlupf für Igel und Insekten, während die beim Baumschnitt anfallenden Äste als Totholzhaufen zum notwendigen Lebensraum und Winterquartier für zahlreiche Tierarten werden.
Hoher Zierwert im Winter
Dass viele Gartenbesitzer dennoch am liebsten schon im Herbst für Ordnung im Beet sorgen, ist verständlich. Vertrocknetes empfinden wir Menschen erst einmal als nicht schön und verbinden es mit Vergänglichkeit. Doch viele verblühte Stauden, Gräser und Hortensiendolden setzen auch in der kalten Jahreszeit tolle Akzente mit ihren Formen und tatsächlich auch mit Farben. Groß: „Die Blüten der Fetthennen (Sedum) zum Beispiel bringen im Winter ein sanftes Rot ins Bild, die Fruchthüllen der Lampionblume (Physalis alkekengi) leuchten eindrucksvoll Orange." Ein besonderer Zauber entsteht zusätzlich, wenn sich der Raureif am Morgen auf die Blätter legt, der Frost die Blütenränder glitzernd hervorhebt oder Schnee wie Puder auf die Halme rieselt. „Für zusätzliche Farbe und Struktur können immergrüne und wintergrüne Pflanzen integriert werden", so Wolfgang Groß vom BGL. „Als formale Hecke oder auch solitär gepflanzt und akkurat in Form geschnitten werden sie zum kunstvollen Blickpunkt."
Sobald sich im nächsten Jahr die ersten Frühlingsboten wie Schneeglöckchen oder Krokusse zeigen, können Gartenbesitzer dann mutig zur Schere greifen und den neuen Trieben der Stauden und Gräser Platz schaffen – oder sie fragen die Experten für Garten und Landschaft um Unterstützung. (BGL)