Minister Remmel: „Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen wird neu ausgerichtet“

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Die Landesregierung hat nach Auswertung der Verbändeanhörung die nordrhein-westfälische Strategie zum Schutz der Arten- und Lebensraumvielfalt und des wilden NRW verabschiedet. Die Biodiversitätsstrategie NRW beschreibt den derzeitigen Ist-Zustand der nordrhein-westfälischen Natur- und Landschaftsräume sowie konkrete Maßnahmen für einen ambitionierten Biodiversitätsschutz für das nächste Jahrzehnt. „NRW hat eine faszinierende Vielfalt an Arten und Lebensräumen. Es ist ein Natur-Schatz direkt vor unserer Tür, den es für unsere Kinder und Enkelkinder zu bewahren und zu schützen gilt. Denn der Verlust an biologischer Vielfalt ist neben dem Klimawandel die zentrale Herausforderung, vor der die Menschheit steht“, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel heute (20.01.2015) nach der Kabinettsitzung in Düsseldorf. „Mit der Biodiversitätsstrategie NRW setzen wir ein deutliches Zeichen für den Schutz unseres wertvollen Naturerbes, für das wilde NRW. Das zentrale Ziel der Naturschutzpo! litik ist, in den nächsten Jahren den weiter fortschreitenden Verlust an Arten- und Lebensräumen zu stoppen und die biologische Vielfalt wieder zu erhöhen“, betonte der Minister. „Die Biodiversitätsstrategie NRW ist unser Fahrplan dafür.“

Die Landesregierung hatte Ende August 2014 den Entwurf der Biodiversitätsstrategie NRW vorgelegt. Bis Ende September 2014 konnten Verbände und Organisationen zum Entwurf der Strategie Stellung beziehen. Insgesamt 35 Stellungnahmen gingen von den angehörten Stellen im Umweltministerium ein.

Gegenüber dem Entwurf wurden nach der Auswertung der Verbändeanhörung unter anderem folgende inhaltliche Klarstellungen in der Biodiversitätsstrategie NRW vorgenommen:

1. Betonung des empfehlenden Charakters der Strategie für die Flächen im Privat- und Körperschaftsbesitz.
2. Differenzierung der Ausgangslage der biologischen Vielfalt zwischen Agrarlandschaft und Wald.
3. Hinweis, dass insbesondere im Forstbereich keine Organisationsänderungen zugunsten von Biologischen Stationen bzw. Naturschutzverbänden geplant sind.
4. Streichung der Douglasie aus der Liste der invasiven Arten.
5. Darstellung der beiden forstlichen Zertifizierungssysteme FSC und PEFC ohne besondere Wertung.
6. Erstellung von Baumschutzsatzungen in allen Kommunen.
7. Würdigung der Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer für Naturschutzmaßnahmen auf deren Flächen.

Mit der Biodiversitätsstrategie NRW ist ein weiterer politischer Schwerpunkt aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Die Strategie bildet eine Standortbestimmung der nordrhein-westfälischen Naturschutzpolitik und ihrer Ausrichtung für die kommenden 10 bis 15 Jahre. Zusammen mit dem geplanten neuen Landes-Naturschutzgesetz und dem geplanten Ökologischen Jagdgesetz wird durch die Biodiversitätsstrategie NRW die Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen neu ausgerichtet.

Bereits im Vorgriff auf die Biodiversitätsstrategie NRW hat die Landesregierung den Naturschutz-Etat von 18 auf 36 Mio. Euro verdoppelt. Remmel: „Zwei Euro jährlich pro Einwohnerin und Einwohner ist das Mindeste, was uns unsere Natur wert sein sollte. Mit diesen Mitteln wollen wir die massiven Eingriffe in die Natur zumindest teilweise wieder rückgängig machen. Dazu investieren wir in Artenschutzprojekte und in die Entwicklung von Schutzgebieten. Wir wollen der Natur wieder Räume und damit Möglichkeiten zur freien Entwicklung zurückgeben, die ihr in den letzten Jahrhunderten genommen wurden. Unser Naturerbe ist ein wertvoller Schatz direkt vor unserer Tür. Es ist aber auch ein Schatz, den es immer wieder neu zu entdecken und zu bewahren gilt. Schon jetzt sind wir dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen. Das dürfen wir nicht zulassen.“

Nach der letzten Erhebung zur „Roten Liste der gefährdeten Arten in NRW“ sind noch immer knapp 45 Prozent der heimischen Tiere, Pilze und Pflanzen gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben, dazu wertvolle und einzigartige Lebensräume bedroht.

Insgesamt werden in der Biodiversitätsstrategie NRW rund 150 Ziele und Maßnahmen beschrieben, dazu gehören zum Beispiel:
• Die Novellierung des Landschaftsgesetzes hin zu einem Landesnaturschutzgesetz,
• Ausweisung eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen,
• Erhöhung des Waldflächenanteils mit natürlicher Waldentwicklung auf ca. fünf Prozent der Gesamtwaldfläche in Nordrhein-Westfalen (Wildniswälder),
• ökologische Entwicklung von Gewässern und Auen mit dem NRW-Programm „Lebendige Gewässer“,
• Schutzprogramme für besonders gefährdete Arten wie Äschen, Wiesenvögel und Wildkatze,
• Reduzierung des täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahr 2020 auf fünf Hektar und langfristig auf null Hektar (netto),
• Erhöhung des Biotopverbundes, also die Durchgängigkeit von Lebensraum zu Lebensraum, von derzeit elf auf mindestens 15 Prozent der Landesfläche,
• Erarbeitung einer landesweiten Konzeption zur Wiederherstellung von Heidegebieten, Magerrasen und Mooren,
• Vervollständigung des Schutzgebietssystems inklusive Qualitätsoffensive in den Schutzgebieten,
• Erhöhung des Anteils standortgerechter Buchenwälder von heute 19 auf über 20 Prozent,
• Schutz des Grünlandes einschließlich der Entwicklung bzw. Wiederherstellung von naturnahen Strukturen in der Agrarlandschaft,
• Ausweitung des Vertragsnaturschutzes und des ökologischen Landbaus,
• Förderung der Umweltbildung von der Kita bis zur Hochschule,
• und das Erlebbarmachen des wertvollen Naturerbes des Landes für seine Bürgerinnen und Bürger.

Verlust der biologischen Vielfalt bedroht das wilde NRW
In Nordrhein-Westfalen leben über 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Dieser Artenreichtum ist die Folge des Nebeneinanders zweier großer, sehr verschiedener Naturräume: Dem atlantisch geprägten Tiefland und dem kontinental geprägten Bergland. Jede dieser Regionen bietet eine historisch gewachsene Vielfalt von Lebensräumen (Biotopen) mit ihren typischen Tieren und Pflanzen, vom kleinsten Insekt über unseren „Urwald-Baum“, die Rotbuche, und den Wanderfalken als weltweit schnellstem Lebewesen bis hin zum größten Wildtier in NRW, dem europäischen Wisent. Ein Schatz direkt vor unserer Tür. Aber auch ein Schatz, der bedroht ist und den es zu bewahren gilt.

Weltweit ist die biologische Vielfalt massiv bedroht. Seit Jahrzehnten ist ein dramatischer Rückgang der Arten zu beobachten. So liegt die gegenwärtige Verlustrate in einigen Regionen der Welt etwa 100 bis 1.000 Mal höher als die natürliche Aussterberate. Auch in NRW geht der Verlust an biologischer Vielfalt weiter. Unsere Landschaften und Lebensräume haben sich durch die Eingriffe des Menschen stark verändert. Dies zeigt zum Beispiel ein Blick auf die Wälder in Deutschland: Von Natur aus wären rund zwei Drittel der Fläche Deutschlands von unserem Ur-Baum, der Rotbuche, bedeckt. Heute sind es real aber nur noch knapp sechs Prozent der Fläche.

Unser Naturerbe in NRW zu erhalten, ist eine Herkulesaufgabe, denn auch in NRW konnte bisher das Artensterben nicht aufgehalten werden: Etwa 45% der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Nach der aktuellen „Roten Liste NRW“ sind dabei Schmetterlinge (rund 55%), Moose (60%), Kriechtiere (etwa 71%) sowie Vögel und Wildbienen/Wespen (jeweils rund 52% betroffen) überdurchschnittlich gefährdet.

Die Ursachen des Artensterbens sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören unter anderem die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gehen täglich in NRW etwa zehn Hektar an wertvollen Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten verloren.

Das NRW-Umweltministerium will dem fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt mit der neuen Biodiversitätsstrategie NRW und einem neuen Landesnaturschutzgesetz entgegenwirken.

Weitere Informationen zum Thema:www.wildes.nrw.de