Wer seinen Garten betritt, befindet sich im Zeckengebiet: Zu dieser Erkenntnis kommt eine Studie der Universität Hohenheim aus dem Großraum Stuttgart. Betroffen sind nicht nur Natur und Wald nahe Gärten sondern auch stark gepflegte und waldfernere Grundstücke. „Gartenbesucher sollten sich nach einem Gartenaufenthalt auf Zecken absuchen und vor allem in Süd- und Mitteldeutschland auch impfen lassen“, rät Parasitologin Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Für künftige Studien sucht die Wissenschaftlerin noch weitere Gartenbesitzer, die ihr Grundstück zweimal im Monat untersuchen lassen.
Zweimal im Monat rückten die Wissenschaftler um Prof. Dr. Mackenstedt mit weißen Flaggen an. In rund 60 Gärten zogen sie die Tücher über Rasen, Rabatten und Hecken, sammelten die Zecken ab und bestimmten die Arten. Im Labor untersuchten sie sie auf Krankheitserreger.
„Gut die Hälfte der Gartenbesitzer beteiligten sich sogar an den Untersuchungen“ berichtet Prof. Dr. Mackenstedt vom großen Interesse in der Bevölkerung. „Manchen mussten wir nur Fragebögen, Zeckengläser und frankierte Briefumschläge stellen und bekamen die gefangenen Zecken zugeschickt.“ Bei jedem Garten notierten die Wissenschaftler den Zustand, die Entfernung zum Wald, die Zahl der Haus- und die gesichteten Wildtiere. Begonnen wurde die Studie im August 2014. Im laufenden Jahr soll sie alle Jahreszeiten umfassen. Dafür sucht die Parasitologin noch weitere Gärten.
Ob hochgepflegt oder naturnah: Zecken gibt es in allen Gärten
Zum Auftakt der Zeckensaison 2015 stellte Prof. Dr. Mackenstedt ihre Ergebnisse vor. „Was uns überraschte: in allen Gärten konnten wir Zecken finden. Manchmal ist auch nur ein einzelner Busch betroffen. Dafür sind aber selbst Gärten betroffen, die sehr gepflegt und mehrere 100 m vom Wald entfernt sind.“
Ein Grund für die Verbreitung sind vermutlich Wild- und Haustiere. „Wir fanden Zeckenarten, die hauptsächlich von Vögeln verbreitet werden. Andere legen an Rehe und Füchse geheftet auch weite Strecken zurück“, erklärt die Professorin der Universität Hohenheim auf einer Pressekonferenz.
Ergänzt wird die Gartenuntersuchung durch ein spezielles Projekt des Landes Baden-Württemberg. Seit fast drei Jahren untersucht das Projekt ZUP (Zecken, Umwelt, Pathogene), welchen Einfluss das Habitat und vor allem auch Nagetiere auf die Verbreitung und Krankheitsdurchseuchung von Zecken hat.
Dafür fangen die Wissenschaftler unter anderem Nagetiere, kennzeichnen sie, sammeln Zecken ab und bestimmen die Krankheiten bei Wirt und Parasit. Möglich wurde das ZUP-Projekt durch die Förderung des Umweltministeriums Baden-Württemberg und sein Programm BWPLUS.
„Es zeigt sich, dass die Nagetiere selbst meist immun gegen Hirnhautentzündung und Borreliose sind. Aber sie tragen die Krankheitserreger in sich. Zecken, die deren Blut saugen, nehmen die Erreger mit auf und können dann Menschen infizieren“, erklärt Projektmitarbeiterin Miriam Pfäffle vom Karlsruher Institut für Technologie, KIT.
Ergebnisse im Detail
Als vorläufige Ergebnisse der Pilotstudie fasste Prof. Dr. Mackenstedt zusammen:
• Zecken befinden sich in allen Gärten. Dabei herrscht eine überraschende Vielfalt. Die Forscher fanden bisher drei Arten.
• Je näher am Wald, desto höher ist die Zeckenmenge. Aber auch 500 Meter vom Wald entfernt fanden die Wissenschaftler noch um die 20% des Zeckenanteils von Waldrand-Grundstücken.
• Größte Gefahr für Zecken ist Hitze. Gärten ohne Unterholz mit konstant kurzem Rasen haben weniger Zecken, sind aber auch nicht zeckenfrei.
• Zecken sind nicht gleichmäßig über den Garten verteilt, sondern können sehr kleinräumig vorkommen. In manchen Gärten waren nur einzelne Büsche befallen.
• Neben Erwachsenen Zecken kommen auch Zeckenlarven vor. Dies spricht dafür, dass es sich um etablierte Zeckenpopulationen handelt.
• Vögel sowie größere Wild- und Haustiere verbreiten Zecken wahrscheinlich auch über größere Distanzen. Speziell in Gärten mit Rehen fanden die Forscher immer auch Zecken.
• Vor allem Nagetiere tragen Erreger für Krankheiten wie Hirnhautentzündung und Borreliose in sich. Sie dienen damit als eine Art Krankheitstankstelle, an der sich selbst vorher harmlose Zecken mit Krankheitserregern volltanken.
Zecken bleiben auch für Forscher unberechenbar
Generell zeige die Zeckenforschung, dass die Parasiten ausgesprochen unberechenbar sind. „Alte Weisheiten, zum Beispiel dass Zecken nur im Sommer aktiv sind, gelten nicht mehr. Heute finden wir das ganze Jahr über aktive Zecken“, erklärt Prof. Dr. Mackenstedt.
Mit Blick auf die Hirnhautentzündung FSME zeigten weitere Studien der Parasitologin, dass sich die gefährlichen Gebiete nicht gleichmäßig, sondern wie ein Flickenteppich über Deutschland ziehen. „Wir versuchen, mit erkrankten Menschen in Kontakt zu kommen und rekonstruieren die Orte, an denen sie sich infiziert haben könnten.“
Landesgesundheitsamt rät dringend zur Impfung
Für Dr. Rainer Oehme, der die Durchseuchung der Zecken im Labor bestimmt, liegt die Konsequenz auf der Hand: „Wer sich auch viel in der Natur aufhält, sollte sich gegen Hirnhautentzündung impfen lassen“, rät der Mitarbeiter des Landesgesundheitsamtes in Stuttgart. Dabei sollten sich Kinder wie Erwachsene gleichermaßen schützen.
„In den Risikogebieten liegt die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich bei 1:50 bis 1:100“, zitiert der Wissenschaftler die Fachliteratur. Nach 7 bis 14 Tagen können grippeähnliche Symptome auftreten. Bei leichten Verläufen klagten die Patienten vorwiegend über starke Kopfschmerzen. Bei schwereren Verläufen seien Gehirn und Rückenmark beteiligt.
Zu den schweren Symptomen gehörten Koordinationsstörungen, Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen sowie Bewusstseinsstörungen. Für ca. 1% der Patienten ende die Krankheit tödlich. Bei älteren Menschen komme es häufiger zu schweren Krankheitsbildern mit zum Teil bleibenden Lähmungserscheinungen. Aber auch Kinder litten selbst nach einem leichteren Verlauf an Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie verminderter Belastbarkeit. Sei die Krankheit erst einmal ausgebrochen, könnten nur die Symptome therapiert werden. Die Impfung biete dagegen innerhalb weniger Wochen schon einen Schutz und sei für Kinder und Erwachsene gut verträglich. „Die meisten Kinderärzte sind auch bereit, die Eltern gleich mit zu impfen“, berichtet Dr. Oehme. (Universität Hohenheim)