Forschung: Artenvielfalt stärkt Ökosysteme im Klimawandel

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Ökosysteme, die eine große Artenvielfalt aufweisen, sind dadurch besser gegen Dürre und andere extreme Wetterereignisse gewappnet. Sie zeigen gegenüber derartigen Störungen eine höhere Widerstandsfähigkeit. Denn das Wachstum von Pflanzen wird durch extreme Wetterereignisse umso weniger beeinträchtigt, je artenreicher die Gemeinschaften sind, in denen die Pflanzen leben. Zu diesem Ergebnis kommen internationale Forschungsgruppen, die in einem weltweiten Verbund die Daten ihrer Experimente zusammen ausgewertet haben und ihre Forschungsergebnisse jetzt im Wissenschaftsmagazin ‚Nature‘ vorstellen.

Die neuen Erkenntnisse beruhen auf mehrjährigen Experimenten, die auf insgesamt 46 Graslandflächen in Europa und Nordamerika stattfanden. Rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Irland, Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Tschechien und Japan haben daran teilgenommen. Sie ermittelten in Bezug auf jede dieser Flächen, wieviel Biomasse die Pflanzen pro Jahr produzierten, wie sich das Wetter in jedem Jahr entwickelte und wie hoch die Artenvielfalt war. So konnte über alle Forschungsstandorte hinweg vergleichend untersucht werden, wie sich Extremereignisse auf die jährliche Biomasseproduktion artenreicher und artenarmer Pflanzengemeinschaften auswirken. Die Ergebnisse sind eindeutig: Wo nur ein oder zwei Pflanzenarten zusammenlebten, verringerte sich ihre Produktivität um 50 Prozent. In Pflanzengemeinschaften mit 16 oder 32 Arten sank die jährliche Biomasseproduktion jedoch nur halb so stark.

An den Untersuchungen waren seitens der Universität Bayreuth Prof. Dr. Anke Jentsch (Störungsökologie) und Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein (Biogeographie) mit ihren Forschungsteams maßgeblich beteiligt. Denn die Versuchsflächen im Ökologisch-Botanischen Garten der Universität bieten die Möglichkeit, verschiedenste Klimaszenarien mit hoher Präzision zu simulieren. Zeltartige Dächer können alle Niederschläge abfangen und die Pflanzen einem extremen Dürrestress aussetzen. Gezielte Bewässerungsmaßnahmen führen zu Bodenverhältnissen, wie sie bei lang anhaltenden Niederschlägen entstehen. Und mit weit verzweigten Heizkabeln im Boden lassen sich rasche Abfolgen von Frost- und Tauperioden nachahmen.

Bereits vor zehn Jahren startete daher auf dem Bayreuther Campus die Serie der EVENT-Experimente, die darauf abzielen, kurz- und langfristige Wirkungen von Extremereignissen auf einzelne Pflanzen sowie auf verschiedenartige Pflanzengemeinschaften zu testen. Der Forschungsverbund ‚Auswirkungen des Klimas auf Ökosysteme und klimatische Anpassungsstrategien (FORKAST)‘, der 2009 von der Bayerischen Staatsregierung im Rahmen des ‚Klimaprogramms Bayern 2020‘ eingerichtet wurde, förderte die Bayreuther Forschungsarbeiten.

„Die jetzt in ‚Nature‘ veröffentlichten Erkenntnisse belegen, wie zukunftsweisend diese Initiative war. Viele Indizien sprechen heute dafür, dass extreme Wettereignisse in vielen Weltregionen künftig häufiger auftreten werden als in früheren Jahrzehnten“, erklärt Prof. Beierkuhnlein, der an der Universität den Lehrstuhl für Biogeographie leitet. „Deshalb ist es wichtig zu wissen, wie wir funktionierende Ökosysteme – deren lebenswichtige Serviceleistungen für die Menschen häufig unterschätzt werden – vor Extremereignissen schützen können. Unsere weltweite Studie zeigt: Indem wir dafür sorgen, dass die Biodiversität von Ökosystemen gestärkt oder zumindest nicht weiter geschwächt wird, sichern wir eigene Lebensgrundlagen.“

Eine zentrale Frage konnten die bisherigen Forschungsarbeiten allerdings noch nicht beantworten: Wovon hängt es ab, wie rasch sich Pflanzen nach überstandenen Extremereignissen erholen und zu ihrer früheren Leistungsfähigkeit zurückkehren? Die Vermutung, dieser Regenerationsvorgang werde durch die Artenvielfalt von Pflanzengemeinschaften beschleunigt, bestätigte sich im globalen Vergleich zwischen den Forschungsstandorten noch nicht. „Wir wollen deshalb die enge Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern fortsetzen, um auch in diesem Punkt Klarheit zu gewinnen“, sagt Prof. Jentsch, Professorin für Störungsökologie, und fährt fort: „Neuere Bayreuther Untersuchungen haben gewisse Indizien dafür ergeben, dass bei der Regeneration von Pflanzengemeinschaften weniger die Vielfalt der Arten als vielmehr deren funktionelle Unterschiedlichkeit und ebenso die genetische Vielfalt innerhalb von Arten eine Rolle spielen könnten. Unsere Forschungsmöglichkeiten auf den Versuchsflächen des Ökologisch-Botanischen Gartens werden eine wertvolle Unterstützung sein, wenn es darum geht, diese und andere Vermutungen zu erhärten – oder auch zu widerlegen. Die Wechselwirkungen zwischen Extremereignissen, Biodiversität und pflanzlicher Produktivität bleiben in jedem Fall ein spannendes Forschungsgebiet.“ (Universität Bayreuth)