Baden- Württemberg: Veränderungen in der Pflanzenwelt

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Unter der Federführung des Staatlichen Museums für Naturkunde Stuttgart erfassen mehr als 180 Ehrenamtliche zum zweiten Mal alle Pflanzen in Baden-Württemberg. Forscher des Naturkundemuseums können so die Auswirkungen des Klimawandels und des Menschen auf die regionale Pflanzenwelt erforschen. Zahlreiche gefährdete Arten nehmen weiterhin ab. Neue, wärmeliebende Pflanzen breiten sich aus.

Eine erste Erfassung aller Pflanzenarten Baden-Württembergs erfolgte bereits von 1970 bis in die 1990er Jahre. Derzeit läuft eine neue Phase der sogenannten Floristischen Kartierung des Landes. Das lässt vergleichende Aussagen über die sichtbaren Änderungen der Pflanzenwelt in Baden-Württemberg in den letzten Jahrzehnten zu. Die Botaniker Dr. Arno Wörz und Dr. Mike Thiv vom Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart stellen in einer vergleichenden Studie eine Reihe von Tendenzen und Veränderungen fest.

Viele heimische Arten, die schon seit langem auf der Roten Liste gefährdeter Pflanzenarten stehen, nehmen weiterhin kontinuierlich ab. Beispiele hierfür sind Frauenschuh, Arnika, Bärlappe, Lungenenzian oder Fleischfarbenes Knabenkraut. Gleichzeitig nehmen neue Arten, die aus anderen Ländern stammen, kontinuierlich zu. Diese sogenannten Neophyten wachsen meist an stark vom Menschen beeinflussten Stellen wie in Städten, an Parkplätzen, auf Bahnschotterflächen oder Straßenrändern. Eine starke Ausbreitung ist beispielsweise für das aus Südafrika stammende Schmalblättrige Greiskraut oder das Indische Springkraut erkennbar. Die Forscher stellten außerdem fest, dass wärmeliebende heimische Arten, wie die Riemenzunge, deutlich zunehmen. Arten, die kühlere Standorte bevorzugen, z.B. der Jura-Streifenfarn oder Flachbärlappe, nehmen hingegen ab. Auch nährstoff- und vor allem stickstoffliebende Arten nehmen zu, während die Arten nährstoffarmer Stellen, von denen viele auf der Roten Liste stehen, ebenfalls abnehmen.

Wodurch werden diese Veränderungen der Pflanzenwelt verursacht? Der Klimawandel spielt hier eine wichtige Rolle. Aber gibt es auch noch weitere Faktoren? Genauso wichtig ist die übermäßige Nährstoffzufuhr durch Düngung, überwiegend aus der Landwirtschaft und die zunehmende Urbanisierung in Baden-Württemberg, die vor allem die Ausbreitung neuer Arten begünstigt und seltene zurückdrängt.

„Naturschutzmaßnahmen sollten sich neben dem Klimaschutz also auch auf den Flächenverbrauch und Nährstoffeinträge konzentrieren. Sonst bleibt zwischen Überdüngung, Bautätigkeit und Klimawandel für seltene heimische Pflanzen nur noch wenig Platz“, so der Botaniker Dr. Mike Thiv.

Die Erfassung aller Pflanzen und deren Standorte in ganz Baden-Württemberg ist ein Projekt, das durch die Mitwirkung von mehr als 180 Ehrenamtlichen möglich ist. Unter der Federführung von Dr. Arno Wörz und in Kooperation mit der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland wird die zweite Floristische Kartierung des Bundeslandes durchgeführt. In akribischer Arbeit werden – Rasterfeld für Rasterfeld – die Standorte von Pflanzen im ganzen Land vermerkt.

Das Projekt wird vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg unterstützt. „Die erneute Erfassung der Pflanzen lässt einen zeitlichen Vergleich zu. Nur so können wir die Unterschiede auf regionaler Ebene feststellen. Die ersten Ergebnisse liegen nun vor. Die Daten werden die Grundlage für weitere Analysen sein“, so Dr. Arno Wörz. Ziel ist es, zu erkunden, welche Art wo vorkommt und Untersuchungen zu Verbreitungsmustern, Einwanderungen und Rückgängen von Pflanzenarten vorzunehmen. So können Empfehlungen für Naturschutzmaßnahmen ausgesprochen werden. Die Daten werden an Naturschutzbehörden (LUBW) weitergeleitet und stehen ferner für Forschungszwecke zur Verfügung.

Die Ergebnisse der Datenerhebung werden zudem in Floristischen Karten festgehalten (www.flora.naturkundemuseum-bw.de). Die Karten zeigen unter anderem die Ausbreitung von neuen Arten – wie beispielsweise dem Schmalblättrigen Greiskraut – entlang der Autobahnen, wie der A 81 und A5. Damit wird gezeigt, dass Veränderungen in der Flora in relativ kurzer Zeit möglich sind. (Staatliches Museum für Naturkunde)