Am 22.5. war der Tag der Artenvielfalt – Anlass, für mehr Grün am Haus zu sorgen. Das geht vom Dach bis zum Boden fast überall.
Der Rückgang der Artenvielfalt geht jeden etwas an. Denn mit dem Insektensterben bleiben Obstbäume und Futterpflanzen für Tiere ohne Bestäubung, und für den Menschen könnten Nahrungsmittel knapp und damit teurer werden. Dach- oder Fassadenbegrünungen und kleine Maßnahmen auf dem Grundstück können dringend benötigte Lebensräume in bebauten Gebieten schaffen. Ob in der City auf dem Balkon oder am eigenen Haus: Pflanzen helfen der Tierwelt und schaffen gleichzeitig Orte zum Wohlfühlen und Stress abbauen. Katharina Koßmann, Fachexpertin im Projekt „Mehr Grün am Haus“ der Verbraucherzentrale NRW, weiß, wie es geht.
Was könnte man im Garten ändern, um die Artenvielfalt zu fördern?
Im Garten einfach gar nichts zu tun, wäre der ideale Weg. Wildkräuter könnten ungestört wachsen, Insekten und Vögel mehr Nahrung finden und Tiere wie Eidechsen oder Igel im Laub wieder einen Unterschlupf haben.
Nicht jeder mag es so wild auf dem eigenen Grundstück. Gibt es andere Möglichkeiten?
Wer einen gepflegten Garten bevorzugt, aber trotzdem gezielt die Biodiversität fördern will, kann beispielsweise nur eine Ecke des Rasens eine Weile nicht mähen. Wildkräuter wie Weißklee oder Habichtskraut können dann wachsen und mit ihren Blüten Wildbienen ernähren. Noch besser ist es, wenn man zwei oder mehrere Flächen abwechselnd nicht schneidet. Damit steht Insekten fortwährend ein Nahrungsangebot zur Verfügung.
Was gibt es für Alternativen, wenn man nicht auf die Rasenfläche verzichten kann oder will?
Dann lohnt sich der Blick Richtung Dach. Eine Dachbegrünung auf einem Flachdach bedeutet viele Quadratmeter exklusiv für Wildbienen und andere Insekten. Das ist gar nicht so aufwändig, wie man denkt. Bei der einfachsten Form, der extensiven Begrünung, bringt man eine dünne Schicht Pflanzsubstrat auf das Dach und setzt widerstandsfähige, niedrigwachsende Pflanzen ein, die so gut wie keine Pflege benötigen. Die meisten der dafür geeigneten Pflanzen sind sehr insektenfreundlich. Wegen der geringen Dachlast eignet sich diese Art der Begrünung auch zur nachträglichen Installation auf bereits bestehenden Garagen oder Carports. Das blühende Gründach liefert dann nicht nur Raum für Tiere, sondern bringt gleichzeitig deutliche Vorteile für die Menschen. Die Bepflanzung ermöglicht Verdunstung und hat einen kühlenden Effekt, was zur Verbesserung des Mikroklimas beiträgt. Und ganz wichtig: Der Blick auf blühende Flächen wirkt wohltuend auf Menschen und hilft Stress abzubauen.
Nicht jeder hat ein Haus mit Grundstück oder Garage. Wie kann man als Städter zur Artenvielfalt beitragen?
Da es in der Stadt wenig Boden zum Bepflanzen gibt, bietet sich die Vertikale an. Eine begrünte Fassade liefert eine große Fläche, die von zahlreichen Nützlingen wie Ohrenkneifern, Tausendfüßlern oder Schmetterlingen bewohnt werden kann. Es gibt viele Pflanzen und Ranksysteme für unterschiedliche Wandtypen und Lagen. Grüne Fassaden fungieren oft als sogenannte Trittsteinbiotope. Das bedeutet, dass sie wie grüne Inseln die Vernetzung bestehender Lebensräume für viele Arten in städtischen Gebieten unterstützen. Bewachsene Fassaden schützen das Gebäude außerdem gegen Witterungseinflüsse und Graffitis. Für mehr Artenvielfalt sorgen aber auch insektenfreundliche Pflanzen in Balkonkästen oder auf Baumscheiben und Grünstreifen vor dem Haus. Manche Kommunen unterstützen die Bepflanzung solcher Flecken zum Beispiel mit der Bereitstellung von Saatgut.
Bedeutet das nicht, dass ich die Fenster nicht mehr öffnen kann, ohne „Ungeziefer“ im Haus zu haben?
Nein, denn wer eine Fassade begrünt, schafft sowohl einen Lebensraum für Insekten als auch für ihre Fressfeinde wie Vögel. Durch den natürlichen Kreislauf kann es normalerweise nicht zur Überpopulation kommen. (Verbraucherzentrale NRW)