Nordrhein-Westfalen hat in den letzten Jahrhunderten massiv Moorlandschaften durch menschliche Eingriffe verloren: Gab es etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts allein in Westfalen noch rund 6421ha an Hochmooren, sind es heutzutage in ganz NRW gerade einmal noch 789ha. „Unsere letzten Moore sind stark gefährdete Lebensräume und stehen deshalb unter besonderer Beobachtung und besonderem Schutz“, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär Horst Becker heute bei seinem Besuch im Großen Torfmoor im Kreis Minden Lübbecke. Es war die 14. Station im Rahmen der diesjährigen Sommertour des Umweltministeriums zum Thema „WildesNRW“. „In den letzten Jahrhunderten sind viele dieser wertvollen Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich verloren gegangen. Dies muss gestoppt werden. Wir brauchen nicht weniger Moorflächen für unsere einzigartige Artenvielfalt, sondern wir brauchen mehr und deshalb müssen wir auch in die Renaturierung von Moorflächen investieren“, sagte Becker. Mehr als 700 Hektar haben das Potenzial, wieder zu solchen echten Hochmooren zu werden. Das Land NRW arbeitet deshalb mit Bio-Stationen und Naturschutzverbänden intensiv an solchen Renaturierungsprojekten, die auch schon erste Erfolge zeigen.
Viele ursprüngliche Naturräume und damit Lebensräume für eine große Anzahl an Tier- und Pflanzenarten wurden durch menschliche Nutzung zurückgedrängt, zum Teil sogar komplett zerstört. Am deutlichsten wird dies am Naturraum Moor, das sich über Jahrtausende entwickelt und innerhalb weniger Jahrzehnte durch Entwässerung und Torfabbau bis auf wenige Einzelflächen verschwunden ist. Besonders im 18. und 19. Jh. erfuhren die Hochmoore durch zunehmende Entwässerungs-, Abtorfungs- und Kultivierungsarbeiten immer stärkere Veränderungen, die letztlich zur weitflächigen Zerstörung dieser viele Jahrhunderte lang unberührt gebliebenen Naturlandschaften führten. Bedeutende großflächige Moorgebiete in NRW sind heute noch das Oppenweher Moor (Kreis Minden-Lübbecke), das Amtsvenn, das Burlo-Vardingholter (Kreis Borken), das Recker Moor, das Emsdetter Venn (Kreis Steinfurt), die Venngebiete im deutsch-belgischen Grenzbereich und das Große Torfmoor. Die Zahl der Hochmoore, die durch natürliche Torfbildung auch heute noch wachsen, ist allerdings deutlich geringer: Lediglich zwei lebendige Hochmoore mit knapp 2,4ha gibt es derzeit in NRW, im Kreis Steinfurt (Koffituten) und im Kreis Lippe (Hiddeser Bent).
Die Entwicklung des Großen Torfmoores begann vor etwa 12.000 Jahren, als sich das Klima erwärmte und die Torfmoose stärker wuchsen. Pflanzenreste verrotteten im nassen und sauerstoffarmen Moor nicht vollständig, sondern sorgten dafür, dass der Torfboden um jährlich etwa 1mm in die Höhe wuchs. Das Große Torfmoor ist heute auf rund 500ha ein Lebensraum der Extreme, erfuhr Becker. Das sehr feuchte Moor hat nur wenige Nährstoffe und das Wasser ist sauer. Hier überleben nur Spezialisten unter den Tieren und Pflanzen und diese sind selten geworden in unserer Kulturlandschaft. Torfmoose, Wollgras, Sonnentau und Moosbeere, Moorfrosch und Bekassine sind einige dieser seltenen Arten. Trotz vieler erfolgreicher Naturschutzprojekte setze sich aber auch in NRW der Artenverlust weiter fort, erklärte der Staatssekretär: „Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen und müssen gegensteuern. Etwa 45% der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Deshalb ist aktiver Naturschutz und die Wiederansiedlung von einzelnen Arten so wichtig, um zerstörte Lebensräume wiederherzustellen und ehemals ausgestorbenen Arten eine neue Chance zu geben.“
„Neben Ihrer sehr hohen Bedeutung für den Artenschutz sind Moore auch aktive Klimaschützer“, ergänzte Becker „Sie bedecken zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche, speichern aber 30 Prozent des im Boden enthaltenen Kohlenstoffs. Moorschutz ist also gleichzeitig auch hochwirksamer Klimaschutz. Die Renaturierung, das bedeutet hier im Großen Torfmoor die Wiedervernässung, ist daher nicht nur eine wichtige Maßnahme für den Naturschutz. Es ist auch eine hochwirksame Maßnahme für den Klimaschutz.“
Der NABU Kreisverband Minden-Lübbecke hat in den Jahren 2003 bis 2008 ein vom Land Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union gefördertes LIFE-Naturschutz-Projekt zur Wiedervernässung des Großen Torfmoor umgesetzt. „Denn die Schutzgebietsausweisung allein reicht nicht aus, um die einmaligen und kostbaren Moorlebensräume und –arten zu erhalten. Vielmehr sind hierfür aktive Maßnahmen notwendig“, so Becker. Der Erfolg der im Rahmen des LIFE Projektes durchgeführten Maßnahmen wurde im Jahr 2008 sichtbar. Damals erfolgte erstmalig in der Naturschutzgeschichte des Landes NRW die Brut eines Kranichpaares mit erfolgreicher Aufzucht eines Jungtieres. Seitdem brüten die Kraniche regelmäßig im Großen Torfmoor. Wichtig ist Becker aber auch das Moorerlebniszentrum, das „Moorhus“, das der NABU Kreisverband am Rande des Großen Torfmoor errichtet hat. „Wir brauchen nicht nur geschützte, intakte Räume, in denen sich Natur entfalten kann, wir müssen auch ein stärkeres Bewusstsein für den Wert und die Schönheit der Natur schaffen. Nur dann können wir das Naturerbe in Nordrhein-Westfalen bewahren. Mit dem Bau und Einrichtung des ‚Moorhus‘ wurde hierfür ein wichtiger Beitrag geleistet.“
„Wir sehen an diesem Beispiel, unser Land hat eine einzigartige faszinierende und beeindruckende Natur, ein Hort für Tausende von Tieren und Pflanzen – ein Schatz direkt vor unserer Tür. Ein Schatz, der immer wieder neu entdeckt werden will. Aber eben auch ein Schatz, den es für die nächsten Generationen zu erhalten gilt“, sagte Staatssekretär Becker. „Die Ursachen des Artensterbens in NRW sind häufig menschengemacht, das Beispiel Moor zeigt dies in besonderer Weise. Intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß haben zum Rückgang vieler Arten in der Feldflur geführt. Deshalb benötigen wir ursprüngliche Naturräume, in der sich Tier- und Pflanzenarten ohne Einfluss des Menschen ansiedeln und entwickeln können.“