Gesetzlich verbriefter Vogelschutz seit vier Jahrzehnten: Am 2. April wird die EU-Vogelschutzrichtlinie 40 Jahre alt. Der NABU zieht eine gemischte Bilanz und fordert mehr Anstrengungen, damit Europas Vögel wirksamer geschützt werden.
Die EU-Vogelschutzrichtlinie wurde 1979 von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedet. „Seitdem ist sie die wichtigste Grundlage für den Schutz wildlebender Vogelarten und ihrer Lebensräume in der EU“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „sie gilt weltweit als eines der fortschrittlichsten und erfolgreichsten Naturschutzgesetze. Vollständig umgesetzt ist sie aber auch nach 40 Jahren immer noch nicht.“
Ziel der Richtlinie ist der Erhalt eines guten Zustands aller europäischen Vogelarten, insbesondere durch eine strenge und europaweit einheitliche Regulation der Jagd, durch aktive Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Arten und durch die Ausweisung der wichtigsten Vogelvorkommen als spezielle Schutzgebiete. „Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist jedoch ein quälend langer Prozess, der bis heute anhält“ bemängelt Miller. Wie in vielen anderen Mitgliedstaaten auch, erfolgte die Umsetzung in Deutschland häufig erst aufgrund massiven Drucks durch die EU-Kommission als „Hüterin der EU-Verträge“, durch Vertragsverletzungsverfahren sowie Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
So dauerte es 30 Jahre, in Deutschland ein einigermaßen vollständiges Schutzgebietsnetz auszuweisen. Heute gibt es 742 Vogelschutzgebiete, die etwa 14,5% der Gesamtfläche Deutschlands, inklusive der Meeresgebiete, einnehmen. Gesetzlicher Schutz, aktive Maßnahmen und Schutzgebiete haben sich positiv auf die Bestände vieler Flaggschiffarten des Naturschutzes ausgewirkt. So hat der Bestand des Schwarzstorchs stark von der Vogelschutzrichtlinie profitiert. In den vergangenen 25 Jahren nahm sein Bestand in Deutschland um 1655% zu. Beim Seeadler waren es 393%, bei der Wiesenweihe 238%, beim Wanderfalken 215% und beim Kranich 415%. Auch die Bestände von weniger bekannten Arten, wie Mittelspecht, Blaukehlchen, Heidelerche und Ortolan konnten sich dank der Schutzmaßnahmen erholen.
Wie wirksam der Schutz durch die Vogelschutzrichtlinie ist, wurde zuletzt 2015 wissenschaftlich belegt. Forscher von BirdLife International, der britischen Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) und der Universität Durham wiesen nach, dass ob eine Vogelart in der EU abnimmt oder zunimmt, am meisten davon abhängt, ob sie in der Vogelschutzrichtlinie als aktiv besonders zu schützen gelistet ist – oder eben nicht.
„Diese Erfolge können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie in Europa noch viel zu tun gibt“, so Miller. „So fehlen für etwa die Hälfte der deutschen EU-Vogelschutzgebiete effektive Managementpläne und ausreichende Finanzmittel für die notwendigen Maßnahmen, um die gesetzlichen Schutzziele zu erreichen. Auch wird die illegale Jagd auf Singvögel im Mittelmeerraum nicht konsequent genug von den Mitgliedsstaaten verfolgt.“
Der größte Schwachpunkt bei der Umsetzung der Richtlinie ist jedoch ihre fehlende Wirksamkeit in der Fläche: Während sich viele seltene Zielarten des Naturschutzes inzwischen gut entwickeln, brechen die Bestände vieler häufiger und weitverbreiteter Allerweltsvogelarten ein. Insbesondere in der Agrarlandschaft sind die EU-Vogelbestände seit Inkrafttreten der Richtlinie um 56% zurückgegangen. Denn dort hat die Vogelschutzrichtlinie trotz ihres flächendeckenden Anspruchs das Nachsehen gegenüber der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU. Diese fördert pauschal und ineffizient den Besitz großer Flächen, stellt aber viel zu wenig finanzielle Mittel für eine naturverträgliche Landbewirtschaftung und das Erreichen der Naturschutzziele der EU bereit. Deshalb fordert der NABU zusammen mit den anderen deutschen Umweltverbänden unter anderem, dass im Zuge der aktuell diskutierten Neuausrichtung der gemeinsamen EU-Agrarpolitik ein jährlicher Betrag von 15 Mrd. Euro für den Naturschutz ausgewiesen wird. (NABU)