Forschung: Bedrohte Artenvielfalt kennt keine politischen Grenzen

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Internationales Forscherteam erfasst DNA-Barcodes europäischer Heuschrecken: Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in einem Kooperationsprojekt gemeinsam fast 80% der mitteleuropäischen Heuschrecken (Orthoptera) genetisch registriert und stellen deren Gencodes in einer frei zugänglichen Online-Bibliothek zur Verfügung. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher Anfang dieser Woche.

Zoologen aus drei Ländern und vier großen DNA-Barcoding-Initiativen haben zum weitreichenden Erfolg des Projektes beigetragen: Im Rahmen der „Barcode of Life“-Projekte aus Deutschland (BFB, GBOL), Österreich (ABOL) und der Schweiz (SwissBOL) wurden rund 750 genetische Codes, sogenannte DNA-Barcodes, von Heuschrecken erfasst, die über 120 verschiedenen Arten zugeordnet werden konnten. Dies entspricht fast 80% aller Arten in Mitteleuropa, und sogar annähernd 100% der deutschen Arten. „Für die Erforschung der Biodiversität sind solch groß angelegte Projekte unerlässlich. Nur so können wir die Artenvielfalt effektiv erfassen, und zur Erhaltung beitragen“, so der Projektkoordinator Oliver Hawlitschek von der Zoologischen Staatssammlung München. Allen DNA-Barcoding-Projekten ist eines gemeinsam: Sie verfolgen das ehrgeizige Ziel, die genetischen Fingerabdrücke aller Tierarten der Erde zu erfassen – die globale Online-Datenbank umfasst inzwischen über 160.000 Arten. Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf http://www.barcoding-zsm.de. „Der genetische Barcode oder Fingerabdruck ist auch eine wichtige Basis für die evolutionsbiologische und ökologische Grundlagenforschung“, ergänzt Gerlind Lehmann, eine am Projekt beteiligte Wissenschaftlerin von der Humboldt Universität zu Berlin.

Heuschrecken sind Laien vor allem durch die sprichwörtlichen Heuschreckenplagen bekannt. Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts traten solche Heuschreckenplagen auch in Bayern auf. Heute sind jedoch viele der Arten, die Plagen verursachten, sehr selten geworden, z.B. die Europäische Wanderheuschrecke, die Italienische Schönschrecke oder die Wanstschrecke. Inzwischen sind Heuschrecken in Mitteleuropa auch nicht mehr als Schadinsekten anzusehen. Stattdessen machen sich viele Heuschreckenarten nützlich, indem sie Schadinsekten wie z.B. Blattläuse vertilgen – denn keineswegs alle Arten sind Vegetarier – oder anderen schutzwürdigen Arten wie dem Weißstorch als Nahrung dienen. Heuschrecken reagieren sehr sensibel auf Veränderungen ihres Lebensraumes. Die Wissenschaftler machen für den Artenschwund vor allem die heutige Kulturlandnutzung verantwortlich: Immer intensivere Landwirtschaft nimmt den Heuschrecken ihre Lebensräume, vor allem artenreiche Wiesen und Weiden. Auch die Individuenzahlen von Allerweltsarten haben drastisch abgenommen. Die erst kürzlich vom Bayerischen Landesamt für Umwelt aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Arten bewertet bereits 45% der bayerischen Heuschreckenarten als bestandsgefährdet. Sechs Arten sind zumindest in Bayern schon vollständig ausgestorben (http://www.lfu.bayern.de/natur/rote_liste_tiere/2016/doc/heuschrecken_infoblatt….).

„Gerade Heuschrecken sind für den Naturschutz von besonderer Relevanz“, ergänzt Nikola Szucsich vom österreichischen Barcoding-Projekt ABOL, „denn sie sind typisch für selten gewordene Lebensräume, die auch viele andere bedrohte Arten beherbergen.“ (Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns)