Gartengestalterin Melanie Unterberg: „Eine moderne Gartengestaltung bezieht ökologische Aspekte mit ein!“

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Seit 2010 ist Melanie Unterberg von März bis November alle 14 Tage zu Gast im WDR Lokalzeit-Studio Düsseldorf und in weiteren WDR-Produktionen und beantwortet live im Studio Zuschauerfragen zu Gartenthemen.
Die bekannte Gartenexpertin hat nach Ihrer Ausbildung im Zierpflanzenbau die Fachschule zur staatl. geprüften Gartenbautechnikerin besucht und danach weitere Praxiserfahrungen in Produktionsbetrieben und im Garten- und Landschaftsbau gesammelt.
Sie sind seit 25 Jahren als Gestalterin von städtischen Privatgärten erfolgreich und sind vor allem bekannt für naturnahe Gestaltungen. Können Sie mit Blick auf die Pflanzenvielfalt eine Entwicklung erkennen? Was hat sich hier verändert?
Unterberg: Vor 20 Jahren wurden in Privatgärten die Beete saisonaler bepflanzt als heute, nämlich mit Lieschen, Eisbegonien und anderen Einjährigen. Heute wird nachhaltiger angelegt mit einer Auswahl von Stauden, die den Blütenflor, den Winteraspekt, die Standfestigkeit und auch das abblühende Stadium berücksichtigen. Die Insektenfreundlichkeit spielt dabei eine große Rolle, denn als Gestalterin kann ich dazu beitragen, das Artensterben zu begrenzen. Die Natur stellt eine immense Auswahl an Stauden und Gräsern zur Verfügung: Von den weltweit ca. 12.000 Arten von Gräsern werden bislang nur ca. 3.000 Gräser für die Verwendung in Privatgärten genutzt.
Früher hat man Bäume gepflanzt, ohne zu berücksichtigen, dass diese Bäume zukünftig ein Problem darstellen könnten. Zu schnelles Wachstum, Wurzeldruck und Fruchtfall sind heute nicht erwünscht. Vielmehr erwartet man heute in Stadtgärten einen langfristig geeigneten Baumbestand, der ohne Kappungen wachsen kann. Ich empfehle ausschließlich kleine Bäume in Privatgärten: zum Beispiel veredelte Hochstämme wie Malus ‚Evereste‘, Liquidambar styraciflua ‚Gumball‘ oder Prunus subhirtella ‚Autumnalis‘. Sehr gerne setze ich auch Cercis canadensis ‚Merlot‘ – dessen rotes herzförmiges Laub ein besonderer Schmuck ist.
Als Ihr Credo gilt „Minimal gärtnern – maximal genießen" und damit kommen Sie dem Wunsch vieler Gartenbesitzer*innen nach pflegeleichten Gärten sehr entgegen. Wie setzen Sie das um?
Unterberg: Während einer Gartenberatung reduziere ich meist den Bestand im Garten. Das heißt, einiges wird gerodet, anderes stark zurückgeschnitten, es gilt zunächst, Wesentliches sichtbar zu machen. Dann wird der Garten mit den geeigneten Bäumen, Gehölzen, Stauden und Gräsern vervollständigt. Ich nenne das „Subtrahieren und Addieren". Gerüstbildner, Begleiter und bodendeckende Stauden werden strukturiert, anschließend wird mit Zwiebelblumen komplettiert. Somit entsteht ein stimmiges Gesamtkonzept, das nachhaltig ist und wenig Pflege braucht. Ich wähle Bäume und Gehölze, die selten geschnitten werden müssen, niemals Formschnittgehölze (außer Hecken) und somit reduziert sich der Schnittaufwand enorm. Das Staudenbeet wird drei-viermal jährlich angefasst, aber von September bis März gar nicht. Mit „Minimal gärtnern" meine ich diesen pflegeextensiven Ansatz, die Stauden danken es mit gutem Wachstum. Bei jedem Pflegegang ist dann aber eine hohe Pflegekompetenz wichtig, um die weitere Entwicklung der Pflanzen mit einzuplanen und konkurrierende Stauden zurück zu halten. Wir zupfen schließlich kaum noch Unkraut, sondern entwickeln einen natürlichen Wettbewerb und ein Zusammenspiel der Stauden im Beet. Wichtig ist eine solide, professionelle Pflegekompetenz zum richtigen Zeitpunkt, um die Vielfalt stets neu zu ordnen.
Haben Sie Lieblingspflanzen oder Pflanzenarten, die Sie besonders häufig einsetzen? Und wie stehen Sie zu „Exoten"?
Unterberg: Gerne gehe ich für eine Cyclame auf die Knie oder begeistere mich für großblättrige dschungelartige Stauden wie Rodgersia, aber DIE EINE Lieblingspflanze gibt es für mich nicht. Vielmehr ist es das Gesamtbild eines Gartens, das mein Herz höher schlagen lässt. Ein Rhythmus, eine Rangordnung, ein Stimmungsbild oder Kontraste machen einen Garten spannend. Wenn exotische Pflanzen sich als standorttolerant bewährt haben, ist das nicht zwangsläufig ein Widerspruch zu einer heimischen Pflanzung. Zum Beispiel die Kiwi, die am Rankgitter hochwachsen darf, oder der Feigenbaum als Blickfang mit seiner interessanten Blattform.
Mehrstämmige Bäume, die über dem Staudenbestand stehen, spielen eine gestalterisch sehr wichtige Rolle. Überhaupt sind Bäume für mich der Ausgangspunkt einer zielführenden Gestaltung. Die Beratung erfolgt quasi „von Groß nach Klein", also von Bäumen und Gehölzen bis zu Bodendeckern und Gräsern. Als Gestalterin wähle ich zwischen etwa zehn verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten von Stauden eine bevorzugte Möglichkeit aus, zum Beispiel Blockpflanzung, Mosaikpflanzung, Mischpflanzung usw.. Ich bevorzuge die sogenannte „Drift-Pflanzung" nach der englischen Gartengestalterin Gertrude Jekyll. Manche sprechen auch vom „New German Style". Die Pflanzung in Drifts (Schwüngen) oder wellenförmig mit mehreren Pflanzen einer Sorte, die zusammen angeordnet werden, wirkt verspielt, lebendig und sehr natürlich. Hierbei achte ich besonders darauf, Folgestauden auszuwählen. Wenn die eine verblüht ist, fällt sie in den Hintergrund und ein neuer Aspekt bzw. eine andere Staude rückt in den Fokus. So ergibt sich eine Dynamik im Beet und ein „Ereigniskalender", der ganzjährig ansprechend und attraktiv ist. Vor 15 Jahren habe ich schon die damals unbekannten Hakonechloa macra-Gräser in Stadtgärten gesetzt, weil sie eine hohe Anpassungsfähigkeit haben und sehr standorttolerant sind. Deshalb freue ich mich heute besonders, dass das Japangras jetzt als Staude des Jahres 2022 gewählt wurde.
Als Gartenexpertin im WDR bekommen Sie ja viele Gartenfragen gestellt. Stimmt der allgemeine Eindruck, dass die Kenntnisse von Naturzusammenhängen und insbesondere das Pflanzenwissen von Menschen immer geringer werden?
Unterberg: In einer groben Typologie kann man zwei Typen von Menschen in ihren Gärten unterscheiden. Die einen wollen einen Garten, der aussieht wie ihr Wohnzimmer: ohne Bäume, ohne Beete, stets sauber und geputzt, mit Rasenroboter und Zauneinfassung. Die anderen wollen es sehr ökologisch und naturnah, für sich draußen einen Ort schaffen, in dem sie sich als Teil der Natur erfahren. Dort wird der Rasen durch eine Blumenwiese ersetzt, werden Hochbeete zur Selbstversorgung angelegt, Bäume als Vogellandeplatz gepflanzt und eine Hängematte am Teich aufgespannt, um Libellen und Hummeln zu beobachten.
Entwicklungen wie Zaun statt Hecke, Versiegelung der Vorgärten, Schotter statt Wildwuchs, Rasen statt Staudenbeete … sind meines Erachtens fatal und sie verstärken das Artensterben. Wir vom Fach sollten mit unserem Wissen diesem Trend entgegenwirken und neue Gartenbesitzerinnen und -besitzer beraten, wie Gärten naturnah und pflegeextensiv angelegt werden können. Menschen reagieren positiv, wenn sie verstehen, dass Tiere und Pflanzen Lebensräume brauchen, und dass ihre Beete die Biodiversität fördern können.
Was raten Sie jungen Landschaftsgärtner*innen und/oder Planenden auf dem Weg zu mehr lebendiger Vielfalt in den Gärten?
Unterberg: Eine moderne Gartengestaltung bezieht ökologische Aspekte mit ein. Wir brauchen Gärten, die wilde Ecken haben und die im Winter nicht kahl rasiert werden. Denn obwohl das Bienensterben immer mal wieder ein mediales Thema ist, ist das Bewusstsein für diese Problematik noch verhältnismäßig gering. Ich denke, Auszubildende sollten nicht nur Bau- und Vegetationstechnik lernen, sondern auch erkennen, was Artensterben wirklich bedeutet und ein ökologisches Bewusstsein entwickeln. Gerade die Pflanzenkompetenz spielt jetzt und in der Zukunft eine überaus wichtige Rolle. Wenn die Azubis Pflanzen als Nahrungs- und Lebensräume erkennen, werden sie naturnahe Aspekte in die Gärten bringen. Angehende Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner sollten unbedingt lateinische Pflanzennamen lernen und auch wissen, wie Stauden nebeneinander zu verwenden sind. Wenn sie die Komposition eines Gartens kennen, können sie die Beete auch nachhaltig pflegen. Ich bin dafür, attraktive Weiterbildungsstrukturen zu schaffen zum Thema „Pflanzenverwendung mit Pflegekompetenz". Denn Pflanzenwissen und Pflegekompetenz müssen mehr gefördert werden. (Quelle: BGL)