Junge Auszubildende gefragt: „Begriffe wie ‚Männerberuf‘ und ‚Frauenberuf‘ sind überholt“

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Ende März finden in jedem Jahr deutschlandweit der Girls’Day und der Boys’Day statt. An diesem Tag erhalten Schülerinnen und Schüler Einblicke in Berufe, die als nicht stereotypisch für ihr Geschlecht gelten.
Das bedeutet, die Mädchen schauen sich beispielsweise handwerklich oder technisch geprägte Bereiche an, während die Jungs ein Tagespraktikum in einem sozialen oder Dienstleistungs-Beruf absolvieren. Auf diese Weise sollen sich ihnen neue Perspektiven eröffnen, unabhängig von überholten Rollenbildern und Vorurteilen. Doch sind diese Klischees tatsächlich überholt? „Leider ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sie gibt: die männlich geprägten und weiblich geprägten Branchen", meint Thomas Wiemer, Referent für Nachwuchswerbung und Weiterbildung beim Ausbildungsförderwerk des Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (AuGaLa e. V.). „Das liegt allerdings nicht daran, dass diese Berufe für Männer oder Frauen besser geeignet sind, sondern vielmehr daran, dass sie immer noch in bestimmte Schubladen gesteckt werden. Dabei ist längst bewiesen, dass fast alle Berufe geschlechtsunabhängig sind!"
Der boomende Garten- und Landschaftsbau:
für Männer wie Frauen gleichermaßen geeignet

Die 25-jährige Justine-Fee Kessler ist der beste Beweis: Sie absolviert eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin. Damit hat sie einen Beruf ergriffen, den viele noch als typisch männlich ansehen. „Ich wollte immer etwas im Bereich Bautechnik oder Architektur machen, bis ich auf die Fachrichtung Garten- und Landschaftsbau gestoßen bin", erzählt sie. „Ich war direkt begeistert! Es macht mir einfach Spaß, mich praktisch und körperlich zu betätigen und an der frischen Luft zu sein. Es ist ein schönes Gefühl, behutsam in die Natur einzugreifen, neuen Lebensraum zu schaffen und der Umwelt etwas zurückzugeben. Jetzt nehme ich auch die Jahreszeiten viel bewusster war. Das finde ich toll!" Die Auszubildende besucht die Mittelstufe des Herwig-Blankertz-Berufskollegs in Recklinghausen. Ihre Zwischenprüfung hat sie bereits Ende letzten Jahres abgelegt. Jetzt geht sie mit großen Schritten auf ihren Abschluss in 2020 zu. Mit ihr sitzen 17 weitere, angehende Landschaftsgärtner in der Klasse, nur drei davon sind Frauen. Woran liegt das? „Zu viele Jugendliche und Erwachsene haben noch Begriffe wie Männerberuf oder Frauenberuf im Kopf, dabei sind die längst total überholt!", betont die Auszubildende. „Frauen können genauso gut anpacken und das Einzige, was wirklich zählt, ist doch, dass man den Anforderungen des Berufs gerecht wird und am Ende des Tages mit einem Lächeln nach Hause geht. Danach sollte man sich einen Job aussuchen!"
Gewissheit durchs Praktikum
Ihre Mitschülerin Michelle Muschinski (21) ist ebenfalls überzeugt, keinen „Männerberuf" ergriffen zu haben. Stattdessen bezeichnet sie ihn als ihren Traumjob, weil er perfekt zu ihr passe. „Ich hatte schon immer klare Vorstellungen davon, was ich wollte: Draußen in der Natur sein, im Team und praktisch arbeiten, mit verschiedenen Materialien und Pflanzen umgehen …", erinnert sie sich. Auf der Suche nach der idealen Branche absolvierte sie viele Praktika und führte Gespräche, aber richtig zufrieden war sie nie. Auf einer Ausbildungsmesse kam sie schließlich mit dem Garten- und Landschaftsbau (GaLaBau) in Kontakt. Bereits nach wenigen Minuten war sie davon überzeugt, den richtigen Beruf gefunden zu haben. „Der Arbeitsalltag ist unglaublich abwechslungsreich und kreativ. Am liebsten erledige ich Pflasterarbeiten oder pflanze Gehölze, weniger gefallen mir Arbeiten mit Schotter", erzählt sie. „Das Beste ist, dass man am Ende des Tages sieht, was man getan hat. Das macht einfach stolz!"
Beste „grüne" Perspektiven
Carina Kolibatsch (20) ist die dritte angehende Landschaftsgärtnerin der Klasse. Ihr war von Anfang an klar, welchen Beruf sie ergreifen wollte. „Ich fand es schon immer toll, Beete anzulegen und habe das auch seit meiner Kindheit getan – erst im Garten meiner Eltern, dann in meinem eigenen", erzählt sie. „Nach meinem Schulabschluss fing ich deswegen direkt mit der Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin an. Es war für mich als Frau überhaupt nicht schwer, eine Stelle zu finden – auch wenn das viele meinen." Tatsächlich sind im GaLaBau mehr Frauen beschäftigt, als oft angenommen wird. Dreiviertel der Betriebe, in denen die Jugendlichen der Mittelstufe ihre Ausbildung absolvieren, beschäftigen Landschaftsgärtnerinnen. Diesen Durchschnitt bestätigt auch Margareta Kulmann-Rohkemper, erste Vorsitzende des NRW-Netzwerks „GaLaBau Women". „Natürlich gehören Frauen zum GaLaBau dazu", hebt sie hervor. „Früher waren sie vornehmlich in zweiter Reihe aktiv, mittlerweile gibt es aber eine beachtliche Zahl an Frauen von Unternehmern, die stark in die Betriebe eingebunden sind."
Auf Augenhöhe
Dennoch ergreifen weiterhin mehr Männer als Frauen den Beruf. Ob sich Carina Kolibatsch deswegen manchmal mehr behaupten müsse? „Ganz und gar nicht! Ich werde nicht anders behandelt als alle anderen auch", sagt sie ausdrücklich. „Wenn mir körperliche Aufgaben etwas schwerer fallen, bekomme ich gute Tipps, wie es einfacher geht oder welche Maschine ich nehmen soll … mir wird aber nichts abgenommen. Das finde ich gut, denn das bedeutet, dass mir alles zugetraut wird!" Natürlich sei der Alltag auf dem Bau nicht immer leicht. Man müsse wetterfest sein und Durchhaltevermögen haben. Manche Herausforderungen gelängen nicht auf Anhieb, dann müsse man einfach dranbleiben. „Das klappt nur mit entsprechender Motivation", meint Justine-Fee Kessler. „Die hat man wiederum nur, wenn man seinen Job liebt. Daher ist es wichtig, sich im Vorfeld ausreichend zu erkundigen." Alle drei Auszubildenden raten Jugendlichen daher zu einem Praktikum. So können Frauen wie Männer am besten herausfinden, ob dieser angesagte grüne Beruf etwas für sie sei – unabhängig von Klischees. (Quelle: BGL)