Pflanzen produzieren unzählige Inhaltsstoffe mit ganz unterschiedlichen Aufgaben und Wirkungen – auch für Menschen und Tiere. Die Gewinnung dieser Stoffe aus ihren natürlichen Produzenten in ausreichender Menge, stellt häufig eine Herausforderung dar. In der Vergangenheit hat dies dazu geführt, dass die meisten Stoffe energieaufwändig im chemischen Labor hergestellt wurden. Mittlerweile können sehr viele Stoffe in Bakterien produziert werden. Wie wäre es, die Stoffe direkt in Pflanzen herzustellen, wo die meisten sowieso ihren Ursprung haben? Mit dieser Frage beschäftigen sich Forscher*innen rund um Prof. Ralph Bock am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm.
Die Arbeitsgruppe wählte für ihre Forschungen den natürlich in Plankton und Mikroalgen vorkommenden Farbstoff Astaxanthin. Der Farbstoff wirkt als Sonnenschutzfaktor gegen UV-Strahlen und schützt darüber hinaus sehr effektiv Zellen vor Stress und Krankheiten, indem er die Oxidation von Substanzen verlangsamt oder sogar vollständig verhindert. Krebse enthalten ebenfalls diesen zur großen Gruppe der Carotinoide gehörenden orangen Farbstoff, da sie ihn über die Nahrung aufnehmen.
Fische wie Lachse und Forellen nutzen Astaxanthin gegen oxidativen Stress, dem sie aufgrund ihrer langen Reisen von den Nahrungsgründen zurück an ihren Geburtsort, an dem sie laichen, ausgesetzt sind. Durch die Einlagerung von Astaxanthin, das sie über die Nahrung aufnehmen und das ihr Fleisch auf natürliche Weise rötlich färbt, schützen sie vermutlich ihre Zellen, Muskeln und Gewebe. In den Lachs- oder Forellenfarmen, wo die Fische für den Handel gezüchtet werden, um die natürlichen Fischvorkommen zu schonen, haben sie nicht die Möglichkeit sich von Krebsen oder Mikroalgen zu ernähren, die das wichtige Astaxanthin enthalten. Sie benötigen hier den Farbstoff allerdings auch nicht unbedingt, da der Stress der langen Wanderung entfällt. Ohne astaxanthinhaltiges Futter bleiben die Fische weiß bis grau und zeigen nicht die bekannte rötliche Färbung. Deshalb ist der Farbstoff ein begehrter Futtermittelzusatzstoff in der Fischzucht. Er wird aus Krebstieren oder Mikroalgen gewonnen.
Dieser Prozess birgt allerdings große Nachteile. Astaxanthin liegt in nur geringen Konzentrationen in diesen maritimen Lebewesen vor, so dass die Isolationsprozesse aufwendig und teuer sind. Weiterhin fallen nicht verwertbare Abfallstoffe an, welche ökologisch und ökonomisch ein Problem darstellen.
Die Gewinnung des wertvollen Farbstoffs aus Pflanzen würde entscheidende Vorteile bringen und könnte auch seine Produktionskosten beträchtlich verringern. Aus diesem Grund wird bereits seit langer Zeit daran geforscht, wie man den natürlichen Stoffwechselweg mit Hilfe von gentechnischen Methoden so in Pflanzen einfügen kann, dass sie Astaxanthin produzieren. Dafür die Chloroplasten-DNA in Pflanzenzellen zu nutzen ist clever, denn von diesen Organellen gibt es in jeder grünen Pflanzenzelle sehr viele, im Vergleich zum nur einmal vorhandenen Zellkern. Die nun vielfach eingebrachte Information ermöglicht eine hohe Produktionsrate des orangen Farbstoffs in der Pflanze. Ein weiterer Vorteil ist die erhöhte Biosicherheit, denn die Chloroplasten der väterlichen Pflanze werden im Pollen abgebaut. Das bedeutet, dass gentechnisch veränderte Chloroplasten nicht durch den Pollen verbreitet werden können.
Der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Ralph Bock ist es nun gelungen, den fremden Stoffwechselweg in Tabakpflanzen zu integrieren. Dazu mussten die Gene des Astaxanthin-Stoffwechselweges in das Chloroplastengenom der Modellpflanze eingeführt werden. Wie der Lachs zeigt nun auch die Tabakpflanze eine charakteristische orange Färbung durch die Produktion des Farbstoffs in den Chloroplasten. Entstanden ist ein lachsfarbener Tabak.
Die Möglichkeit, den begehrten Farbstoff in höheren Pflanzen zu produzieren, ist ein beachtliches Ergebnis. Allerdings handelt es sich bei Tabak um eine sehr giftige Pflanze, denn Nikotin ist eines der stärksten in der Natur vorkommenden Gifte. Deshalb war es wünschenswert, das Astaxanthin in einer nikotin-freien Pflanze zu produzieren. Die Wahl fiel auf einen nahen Verwandten, den Baumtabak. Dieser enthält kein Nikotin und ist sogar eine mehrjährige Pflanze. Deshalb kann die Pflanze einmal ausgepflanzt über mehrere Jahre genutzt werden. Jedoch konnten bisher die Chloroplasten des Baumtabaks nicht transformiert, also mit neuen Genen ausgestattet werden. Die Forscher suchten deshalb nach einem Weg den gewünschten Farbstoff in der für sie optimalen Pflanzenart zu produzieren.
„Bereits in früheren Experimenten hatten wir herausgefunden, dass die DNA von Chloroplasten über Pfropfungsstellen von einer Art auf eine andere übertragen werden kann“, erklärt Ralph Bock. Dieses Phänomen, welches in der Natur auch ohne menschliches Zutun vorkommt, nennt man horizontalen Gentransfer. Es bietet eine faszinierende Möglichkeit, um bisher nicht-transformierbare Pflanzenarten mit fremden Genen zu versehen. Nach der erfolgreichen Pfropfung von Tabaksprossen auf Baumtabakpflanzen wurden aus den Pfropfungsstellen neue vollständige Pflanzen mit Hilfe der Gewebekultur erzeugt. So konnten aus einzelnen Baumtabakzellen, welche die neue Chloroplasten-DNA aus dem Tabak erhalten hatten, wieder ganze Pflanzen mit den gewünschten neuen Eigenschaften gewonnen werden.
Dieses Experiment zeigt deutlich, dass allein durch einen horizontalen Austausch von Chloroplastengenen die Einführung von fremden Genen in nicht-transformierbare Arten möglich ist. Zukünftig kann diese sehr einfache Transformationstechnik auch für andere wichtige, jedoch bisher nicht transformierbare Pflanzenarten genutzt werden. (Max-Planck-Institut)