Der Löwenzahn gilt vielen als ein lästiges Unkraut. Neben Hobby-Gärtnern hat die Pflanze auch in der Natur viele Feinde. Vor diesen schützt sie sich mit einem latexhaltigen Saft. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Universität Bern konnten jetzt nachweisen, dass eine einzige Substanz aus dem bitteren Latexsaft die Wurzeln des Löwenzahns gegen gefräßige Maikäferlarven wirksam schützt. Latex ist demnach für die pflanzliche Verteidigung gegen Bodenschädlinge entscheidend.
Der Löwenzahn ist ein Überlebenskünstler
Der Löwenzahn (Taraxacum officinale agg.) ist eine der bekanntesten Pflanzen. Sie kommt ursprünglich aus Europa und Asien und hat sich fast in der gesamten nördlichen Hemisphäre verbreitet. Kinder lieben die gelben Blüten und noch mehr die sogenannten „Pusteblumen“ mit den kleinen Fallschirmen gleichen Samen, die vom Wind über große Entfernungen getragen werden. Aus den Samen wachsen Pflanzen mit einer Kraft, die sogar Asphalt überwinden kann. Sie sind damit zu einem Symbol für das Überleben in der modernen Großstadt geworden.
Auf dem Feld und in der Wiese muss sich die Pflanze jedoch gegen viele Fraßfeinde zur Wehr setzen. Zu diesen Feinden zählen auch Maikäferlarven. Der Maikäfer (Melolontha melolontha) verbringt seine ersten drei Lebensjahre unter der Erde, wo er sich als Larve oder Engerling von den Wurzeln verschiedener Pflanzen ernährt. Seine Lieblingsspeise sind die Wurzeln des Löwenzahns. Wie viele andere Pflanzen produziert der Löwenzahn sekundäre Abwehrstoffe, die ihn vor Insektenfraß schützen sollen. Einige dieser Abwehrstoffe, zu denen insbesondere Terpene und Phenole gehören, sind auch pharmazeutisch interessant und gelten auch als vielversprechende Wirkstoffe gegen Krebs. Die wichtigsten dieser Metaboliten sind Bitterstoffe, die vor allem in dem milchigen Saft zu finden sind, der Latex genannt wird und der in fast zehn Prozent aller Blütenpflanzen vorkommt.
Warum Löwenzahn-Latex bitter ist
Diesen Löwenzahn-Latex haben jetzt Forscher der Abteilung Biochemie zusammen mit ihren Kollegen von der Universität in Bern genauer unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler fanden die höchsten Konzentrationen des bitteren Latex in den Wurzeln der Löwenzahnpflanzen. Die Wurzeln sind für die Pflanze als Hauptspeicherorgan für Nährstoffe besonders wichtig und schützenswert, weil sie schon früh im Jahr die Blütenbildung ermöglichen.
Eine einzige chemische Verbindung schützt die Pflanze
Die Wissenschaftler testeten zunächst, ob sich die Latexverbindungen des Löwenzahns negativ auf die Entwicklung der Maikäfer-Larven auswirken und umgekehrt den Gesundheitszustand und die Vermehrung der Pflanze unter Engerlingsbefall verbessern. Eine Analyse der Einzelkomponenten des Löwenzahnlatex ergab, dass eine einzelne Substanz das Larvenwachstum negativ beeinflusst. Es handelte sich dabei um das Sesquiterpenlacton Taraxinsäure-Beta-D-Glycopyranosyl-Ester (TA-G). Wurde die gereinigte Substanz in ökologisch relevanten Mengen einer künstlichen Larvennahrung beigemengt, fraßen die Engerlinge weniger.
Den Forschern gelang es, das Enzym zu identifizieren, das den ersten Schritt zur TA-G-Biosynthese katalysiert. Wurzeln von genetisch veränderten Pflanzen ohne das Enzym und damit auch ohne den Abwehrstoff wurden deutlich häufiger von Larven gefressen. Die chemische Zusammensetzung des Latex variiert zwischen verschiedenen natürlichen Löwenzahn-Linien Ein gewöhnliches Gartenexperiment mit Löwenzahn-Pflanzen unterschiedlicher Linien machte deutlich, dass Pflanzen, die viel TA-G produzierten, im Vergleich zu anderen Pflanzen gesünder sind und sich stärker vermehren, wenn sie von wurzelfressenden Engerlingen attackiert werden „Dass eine einzige chemische Verbindung ausreicht, um die Pflanze gegen den Engerling zu schützen, ist eine Überraschung“, sagt Jonathan Gershenzon, der Leiter der Abteilung Biochemie am Max-Planck-Institut in Jena. „Der Latex von Löwenzahn und anderen Pflanzen enthält so viele unterschiedliche Substanzen, dass es uns eher unwahrscheinlich erschien, dass eine davon allein eine so herausragende Rolle bei der Insektenabwehr spielen kann.“
Die Kombination der Methoden als Schlüssel zum Erfolg
„Entscheidend für den Erfolg der Untersuchungen war die Kombination verschiedener Forschungsansätze“, meint Matthias Erb von der Universität Bern, der die Studie geleitet hat. „Jeder dieser Ansätze hat seine Schwächen, die durch die Stärken der anderen ausgeglichen wurden. Unsere interdisziplinäre Herangehensweise hat sich als sehr wirkungsvoll im Hinblick auf das Verständnis biologischer Systeme erwiesen.“
In weiteren Experimenten wollen sich die Forscher der Co-Evolution von Löwenzahn-Pflanzen und ihren Wurzelschädlingen widmen und herausfinden, ob die Anwesenheit solcher Fraßfeinde die Pflanzenchemie im Laufe der Evolution verändert hat und ob sich wurzelfressende Insekten an die bitteren Latexverbindungen angepasst haben. (Max-Planck-Institut)