Seit 1980 sind fast 600 Millionen Vögel in der EU verschwunden.
Eine neue Studie über Brutvögel in der EU zeigt, dass über einen Zeitraum von etwa 40 Jahren jeder sechste Vogel verloren gegangen ist. „Insgesamt haben wir seit 1980 in der EU zwischen 17 und 19 Prozent, also rund 600 Millionen Brutvögel verloren. Es handelt sich dabei aber kaum um imposante Großvögel, sondern um die vielen unscheinbaren Finken, Sperlinge und Lerchen, die unsere Wiesen und Felder lebendig machen“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Wissenschaftler der britischen Vogelschutzorganisation RSPB, dem internationalen Dachverband des NABU BirdLife International und der Tschechischen Gesellschaft für Ornithologie analysierten Daten von 378 der 445 in der EU heimischen Vogelarten.
In dem untersuchten Zeitraum gingen insgesamt etwa 900 Millionen Vögel verloren, dem steht jedoch eine Zunahme von etwa 340 Millionen bei anderen Arten gegenüber. Ein großer Teil dieser Verluste ist auf sehr große Rückgänge bei einer kleinen Zahl häufig vorkommender Arten zurückzuführen, das gleiche gilt für die Zunahmen. Den größten Populationsrückgang verzeichnet der Haussperling mit allein 247 Millionen weniger Individuen, gefolgt von der Schafstelze mit 97, Star mit 75 und Feldlerche mit 68 Millionen.
Beim Vergleich der Bestandsentwicklungen nach Lebensräumen wurden die höchsten Gesamtverluste bei Ackerland- und Grünlandvögeln festgestellt. Die acht Arten mit den größten Rückgängen machen 69 Prozent des Rückgangs aller 175 rückläufigen Arten aus (Haussperling, Schafstelze, Star, Feldlerche, Fitis, Girlitz, Bluthänfling, Feldsperling). Vorn dabei ist auch der Kiebitz, von dem in Deutschland noch jeder zehnte Vogel übrig geblieben ist. „Diese Studie reiht sich ein in eine Reihe niederschmetternder Evidenzen, die zeigen, wie schlecht die politische Vorsorge gegen den Artenrückgang durch landwirtschaftliche Praktiken war und ist“, sagt Miller. Der einst allgegenwärtige Haussperling ist am schlimmsten betroffen, wenngleich sich sein Bestand in Deutschland sein Bestand zuletzt stabilisiert hat. In Europa hat der Spatz seit 1980 die Hälfte seines Bestands eingebüßt, insgesamt 247 Millionen Vögel.
Vermutete Ursachen sind vor allem Nahrungsmangel und Luftverschmutzung in vielen Städten, er ist aber auch von Veränderungen in der Agrarpolitik und -bewirtschaftung betroffen. Er teilt damit sein Leid mit fast allen anderen Top-Platzierten, darunter Feldsperling und Bluthänfling, die der NABU auch aufgrund ihrer Gefährdung noch bis zum 18. November als Vogel des Jahres 2022 zur Wahl stellt. Der Feldsperling hat ebenfalls um 30 Millionen Vögel abgenommen.
„In der EU bieten die Vogelschutzrichtlinie und die Habitat-Richtlinie rechtlichen Schutz für prioritäre Arten und Lebensräume. Sie haben sich nachweislich als Vorteil für viele selten gewordene Vogelarten erwiesen. Der erhebliche Rückgang der Biodiversität in jüngster Zeit zeigt aber, dass noch weitere umfassende Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind“, so NABU-Vogelschutzexperte Eric Neuling. „Es besteht ein dringender Bedarf, Vögel, die mit der Landwirtschaft verbunden sind, sowie Langstrecken-Zugvögel wie Schafstelze und Fitis auf ihren Zugrouten zu schützen.“ Der Verlust von häufigen Arten gibt Anlass zur Sorge, da er Schäden an unseren Ökosystemen und ihrer Funktion und möglicherweise an der Bereitstellung von Ökosystemdienstleistungen, von denen die Menschheit abhängt, mit sich bringt. (NABU)