Es gibt kaum Naturschutzgebiete in Deutschland, in denen die dort lebenden Insekten nicht mit Pestiziden belastet sind – das ist das Ergebnis einer heute in der Fachzeitschrift Scientific Reports erschienenen Studie.
Trotz des hohen Schutzstatus als Naturschutzgebiet sind dort lebende Insekten demnach im Schnitt mit 16 unterschiedlichen Pestiziden belastet. Im Projekt DINA (Diversity of Insects in Nature protected Areas) unter Leitung des NABU, wurde die Insektenvielfalt in Naturschutzgebieten über zwei Jahre erfasst und dokumentiert. Dr. Carsten Brühl und sein Forschungsteam der Universität Koblenz-Landau untersuchten, welche Pestizide die Insekten auf sich tragen. Ausgewertet wurden Daten aus den Monaten Mai und August 2020, also außerhalb der Zeit, in der üblicherweise Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Forderungen des NABU nach einer Strategie zur Pestizidreduktion und die Verknüpfung der Reduktionsziele des EU-Green Deal mit dem nationalen Strategieplan der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP). NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Ohne Insekten brechen Ökosysteme zusammen. In den vergangenen drei Jahrzehnten ist nachweislich bereits 80 Prozent der Biomasse an Insekten verschwunden. Pestizide sind mitverantwortlich für diesen dramatischen Rückgang. Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass wir dringend pestizidfreie Flächen als Rückzugsorte für Insekten benötigen. Wir brauchen endlich eine ambitionierte nationale Reduktionsstrategie mit verbindlichen Maßnahmen und Zielen sowie verbessertem Monitoring, um das Risiko durch Pestizide auch in der Fläche erheblich zu reduzieren. In Naturschutzgebieten und in ihrer direkten Umgebung ist es erforderlich, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide ganz zu unterbinden. Landwirtinnen und Landwirte müssen dabei für pestizidfreies bzw. -armes Wirtschaften finanziell angemessen honoriert werden.“
Über alle 21 Untersuchungsstandorte verteilt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Studie 47 der 92 untersuchten Pestizide auf den Insekten gefunden. In einem Schutzgebiet waren die Tiere sogar mit 27 verschiedenen Wirkstoffen belastet. „Hier zeigt sich wie realitätsfern die Risikobewertung im Rahmen der Zulassungsverfahren von Pestiziden ist. Die Bewertung wird nämlich jeweils für jeden Wirkstoff separat durchgeführt, obwohl Insekten offensichtlich überall, sogar in Schutzgebieten, Wirkstoffcocktails ausgesetzt sind“, unterstreicht Dr. Carsten Brühl von der Uni Landau.
Die Insekten nehmen laut Studie die Pestizide auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in einem Umkreis von zwei Kilometern auf. Denn: Naturschutzgebiete in Deutschland sind in der Regel klein (zwei Drittel der Gebiete sind kleiner als 50 Hektar), Insekten haben jedoch oft einen deutlich größeren Flugradius. Zudem werden – entgegen weitverbreiteter Auffassung – auch die meisten Schutzgebiete (mit Ausnahme von streng geschützten Kernzonen) oft auch konventionell land- oder forstwirtschaftlich genutzt.(NABU)