Mindestens 120.000 Menschen haben das Muttertagswochenende genutzt, um Vögel in Garten, Park oder auf dem Balkon zu zählen. Damit haben sich so viele wie noch nie zuvor an der 16. „Stunde der Gartenvögel“ vom NABU und seinem Bayerischen Partner, dem LBV, beteiligt.
„Wir sind völlig überwältigt, das ist ein dickes Plus“, freut sich NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Im vergangenen Jahr hatten gut 76.000 Naturfreundinnen und- freunde teilgenommen. Da noch bis 18. Mai nachgemeldet werden kann, könnten es in diesem Jahr sogar noch doppelt so viele wie 2019 werden. „Das verstärkte Interesse an der heimischen Natur durch die Corona-Krise und das beunruhigende Blaumeisensterben haben deutlich mehr Menschen bewegt, bei unserer Vogelzählung mitzumachen“, vermutet Miller.
Im Mittelpunkt des Interesses der diesjährigen Zählung stand die Blaumeise. Seit Anfang März waren beim NABU vermehrt Berichte über kranke und tote Blaumeisen eingegangen. Bis heute registrierte der NABU 19.000 solcher Meldungen, die 35.000 verstorbene Vögel betreffen. Als Ursache wurde inzwischen das Bakterium Suttonella ornithocola identifiziert, das offensichtlich ausschließlich bei Meisenarten Lungenentzündungen verursacht. Die in Deutschland bisher einmalige Vogel-Epidemie flaut seit Ende April deutlich ab. „Bundesweit betrachtet sind 22 Prozent weniger Blaumeisen pro Garten gemeldet worden“, berichtet NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Statt 2,16 Blaumeisen pro Meldung sind es in diesem Jahr nur noch 1,66 – mit Abstand der niedrigste Wert seit Beginn der Zählungen im Jahr 2005.
Um herauszufinden, ob der Rückgang wirklich auf das Konto der Epidemie geht, haben die Forscher für jeden Landkreis die Veränderungen der Blaumeisenzahlen mit der Anzahl der Meldungen kranker Meisen verglichen. Es ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang. „Je mehr Berichte toter Meisen aus einem Landkreis bei uns ankamen, desto größer waren dort auch die Bestandsrückgänge“, so Lachmann. „Wir können davon ausgehen, dass ein Rückgang von mindestens vier Prozent gegenüber dem Vorjahr direkt auf das diesjährige Blaumeisensterben zurückzuführen ist.“ Bei einem Gesamtbestand von etwa 7,9 Millionen erwachsenen Blaumeisen, den der jüngste offizielle Bericht zur Lage der Vogelwelt ausweist, wäre das eine Größenordnung von ungefähr 300.000 an der Krankheit verstorbenen Blaumeisen.
Im Durchschnitt konnten die Teilnehmer der Aktion in diesem Jahr innerhalb einer Stunde knapp 31 Vogelindividuen von gut elf verschiedenen Arten entdecken, bestimmen und melden. Wie immer in den letzten Jahren war dabei der Haussperling mit 5,3 Vögeln pro Garten der häufigste Gartenvogel. In den frühen Jahren der Aktion konnte die Amsel den Spatz dreimal überflügeln. Doch seit dem Aufkommen des Usutu-Virus vor zehn Jahren nehmen die Amselzahlen ab. Immerhin konnte sie in diesem Jahr mit 2,91 Vögeln pro Garten das Ergebnis des Vorjahres halten. Wie in jedem Jahr ist die Amsel aber weiterhin Deutschlands zuverlässigster Gartenvogel: Sie wurde in 94 Prozent aller Gärten innerhalb einer Stunde gesehen.
Große Verlierer dieses Jahres sind neben der Blaumeise auch der Star und – wie schon in den Vorjahren – der Grünfink. Auch beim kleinen Zaunkönig sinken die Zahlen konstant von Jahr zu Jahr.
Bei den größten Sorgenkindern unter den Siedlungsvögeln, Mehlschwalbe und Mauersegler wiederholten sich die katastrophalen Ergebnisse der Vorjahres zum Glück nicht, aber sie sind weiter weit entfernt von früheren Bestandszahlen.
Zu den Gewinnern zählen vor allem Ringeltaube und Türkentaube, die beide ihr bisheriges Bestergebnis einfliegen. Auch bei Eichelhäher und Buntspecht ist kein Ende des zunehmenden Trends in Sicht. (NABU)