Mit großer Verwunderung hat der NABU auf die Kritik von Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus an der geplanten Veröffentlichung der Wolfsbestandszahlen reagiert. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) wollten heute die Daten zur Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland präsentieren.
„Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Agrarminister versucht, von Experten erhobene Zahlen zu einem wichtigen Thema zurückzuhalten. Das kommt einem Maulkorb gleich. Es muss doch gerade im Sinn der von ihm vertretenen Interessengruppen, von Bauern, Jägern und Naturschützern sein, transparente Zahlen zu haben und dementsprechend Konzepte zu entwickeln“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Darüber hinaus seien die Zahlen aus dem Wolfsmonitoring ohnehin bekannt, auch den Umweltministern.
Die erhobenen Daten zeigen eine konstante Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland. Derzeit gehen die Experten von 60 Wolfsrudeln und 13 Paaren aus. Die Zunahme um 13 Rudel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum liegt leicht unter dem langjährigen Mittel von 33 Prozent Wachstum pro Jahr (seit 2009). „Wachstumsraten von rund 30 Prozent sind in der Wildbiologie für Tierarten, die geeignete Lebensräume neu besiedeln, völlig normal und freie Territorien und Lebensräume gibt es genügend in Deutschland“, so Miller. Natürliche Faktoren, wie die territoriale Lebensweise sowie Beuteverfügbarkeit und Krankheiten, begrenzten das Wachstum bereits heute und sorgten langfristig für eine stabile Populationsdynamik. Auch sterben immer wieder Wölfe durch den Straßenverkehr, aktuell die häufigste Todesursache für Wölfe in Deutschland. Dazu kommen noch illegale Tötungen. Seit 2000 sind deutschlandweit bereits 26 Wölfe illegal getötet wurden, die Dunkelziffer ist ungewiss.
Der NABU begrüßt das vom BfN geplante Handlungskonzept „Empfehlungen für den Umgang mit auffälligen Wölfen“, das in Auszügen bekannt ist. Auch die Kritik des Deutschen Jagdverbandes daran ist für den NABU nicht nachvollziehbar. Es komme genau zur rechten Zeit und ist ein wichtiger Baustein, um das Zusammenleben von Mensch und Wolf möglichst konfliktarm zu gestalten. Das Handlungskonzept zeigt exemplarisch, was als auffälliges Verhalten beim Wolf zu betrachten ist und was nicht und welche Handlungskaskaden zu befolgen sind. Wie das BfN richtig betont, müssen die Ursachen für auffälliges Verhalten immer in Einzelfallbetrachtung durch die vorhandenen Expertinnen und Experten untersucht werden. „Politiker wie Herr Backhaus sind gut darin beraten, diese Unterstützung nicht zu ignorieren und die vorhandene Kompetenz beim Wolf zu nutzen, um Verfahrensfehler zu vermeiden und somit Gerichte von unnötigen Klagen zu entlasten“, so Miller weiter. Der NABU appelliert an die Umweltministerkonferenz, die vom 15. bis 17. November in Potsdam tagt, die DBBW, die auf Forderung der Länder eingerichtet wurde, endlich als beratendes Expertengremium anzuerkennen und auf dessen Erfahrungen im Umgang mit dem Wolf zurückzugreifen. „Hier ermöglicht der Bund mit der DBBW eine große Hilfestellung, die die Länder in ihrem eigenen Interesse in Anspruch nehmen sollten“, so Miller. Darüber hinaus müsse die länderübergreifende Zusammenarbeit gestärkt werden, insbesondere auch beim Herdenschutz. Der NABU fordert bereits seit langem die Einrichtung eines Herdenschutzzentrums als wesentliche Ergänzung der DBBW.
Deshalb setzt sich der NABU zusammen mit Weidetierhaltern und anderen Natur- und Tierschützern für eine bessere Unterstützung von Präventionsmaßnahmen ein (siehe Eckpunktepapier Weidetierhaltung und Wolf vom 31.08.2017). „Auch im Jahr 17 der Wolfsrückkehr fehlt es in Deutschland an einem nationalen Herdenschutzzentrum. Es kann nicht sein, dass der Wolf erst in allen Flächenbundesländern anwesend sein muss, damit sich das Landwirtschaftsministerium der Sorgen der Nutztierhalter, insbesondere in der extensiven Weidehaltung annimmt und klare Regelungen, Unterstützung und die Ausbildung in Sachen Herdenschutz forciert“, so Miller. (NABU)