Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz teilt mit:
Viele Lebensräume für wild lebende Tier- und Pflanzenarten in NRW sind weiterhin nicht in einem guten Zustand. Das geht aus dem jüngsten Bericht zur Fauna-Flora-Habitat-Entwicklung (FFH) für Nordrhein-Westfalen hervor, den das Umweltministerium am 26. März 2014 in Düsseldorf vorgelegt hat. Demnach ist die Situation insbesondere im nordrhein-westfälischen Tiefland (mit Niederrheinischer und Westfälischer Bucht) deutlich schlechter als im Bergland (Eifel, Sauerland, Siegerland, Bergisches Land und Weserbergland). Nach Untersuchungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) sind rund 77% der Lebensräume im Tiefland in einem unzureichenden oder schlechten Erhaltungszustand, allen voran nährstoffarme Stillgewässer, Moore, Wiesen, Weiden und Hartholz-Auenwälder. Im Bergland sind es hingegen nur 32%.
Wir sind dabei, die Festplatte unserer Natur unwiederbringlich zu löschen, warnte NRW-Umweltminister Johannes Remmel. Der Verlust der Biodiversität ist mit dem Klimawandel die größte Bedrohung für uns und die Art und Weise, wie wir leben werden. Wenn wir den Verlust an Artenvielfalt begrenzen wollen, müssen wir für intakte Ökosysteme sorgen. Der Schutz und Erhalt von wertvollen Lebensräumen ist daher für unsere Tier- und Pflanzenwelt von existenzieller Bedeutung.
Am Mittwoch, den 26. März 2014 ist in Berlin der bundesweite FFH-Bericht von der Bundesregierung vorgelegt worden. Da aus dem Bundesbericht keine länderspezifischen Aussagen abgeleitet werden können, hat das LANUV im Auftrag des Umweltministeriums einen eigenen NRW-Bericht erstellt. Nach 2007 ist es der zweite Bericht über die Erfüllung der europäischen FFH-Richtlinie und damit eine umfassende Bewertung des Zustandes von Arten und Lebensräumen mit europaweiter Bedeutung. Ziel der Richtlinie ist der Schutz von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume und damit der Erhalt der biologischen Vielfalt in der Europäischen Union.
Insgesamt kommen in NRW 44 verschiedene Typen von Lebensräumen von wildlebenden Arten vor. Dabei besteht ein deutlich erkennbarer Unterschied zwischen dem Erhaltungszustand im atlantischen Tiefland und im kontinentalen Bergland von Nordrhein-Westfalen. Nach wie vor ist die Situation im Flachland deutlich schlechter, sagte der zuständige Abteilungsleiter des LANUV, Dr. Georg Verbücheln. Allerdings mussten wir auch in einigen Lebensräumen, die sich im Bergland befinden, eine Verschlechterung feststellen. Dennoch sind in diesen Regionen des Landes immerhin noch 66 Prozent der Lebensräume in einem günstigen Erhaltungszustand.
Neben der Situation der Lebensräume wurden im aktuellen FFH-Bericht für NRW auch stichprobenartig Tier- und Pflanzenarten untersucht. Von den 78 untersuchten Arten befinden sich 20% in einem unzureichenden Erhaltungszustand, weitere 40% in einem schlechten. In einem schlechten Zustand befinden sich vor allem Arten, die auf naturschonend genutzte Grünlandflächen angewiesen sind. Mit dem Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, dem Blauschillernden Feuerfalter und dem Skabiosen-Scheckenfalter sind Tagfalter besonders betroffen.
Verschlechterte Bestandessituationen mussten etwa bei der Geburtshelferkröte und den drei Fischarten Äsche, Flussneunauge und Meerneunauge festgestellt werden. Die Fischarten leiden insbesondere unter der nach wie vor insgesamt unzureichenden Strukturgüte der Fließgewässer, stellte das LANUV in seinem Bericht fest. Insgesamt wurden in NRW mehr als 3000 Stichproben für den Bericht erhoben.
Minister Remmel: Das wilde NRW ist bedroht
Die Zahlen bestätigen einmal mehr die angespannte Lage bei der Artenvielfalt in NRW. Nach der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Arten sind in NRW etwa 45% der beobachteten Tier- und Pflanzenarten gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Das wilde NRW ist bedroht. Dieser zunehmenden Gefährdung müssen wir entgegenwirken und werden deshalb in diesem Jahr die Naturschutzpolitik neu ausrichten. Noch im ersten Halbjahr wollen wir die Eckpunkte für eine langfristige Biodiversitätsstrategie zum Schutz der Artenvielfalt vorlegen, kündigte Remmel an.
Dennoch zeigt der aktuelle Bericht auch positive Entwicklungen bei Lebensräumen und Arten: Gerade bei den Libellenarten, die an Fließgewässer gebunden sind, zeigt sich eine positive Entwicklung. Mit der Grünen Keiljungfer und der Zierlichen Moosjungfer (Stillgewässer) sind zwei ehemals ausgestorbene Arten in NRW wieder neu eingewandert. Bei den Lebensräumen für wildlebende Arten konnte etwa bei der Heide oder den Kalkmagerrasen im Bergland ein besserer Zustand festgestellt werden. Die positiven Beispiele zeigen, dass wir durch eine ambitionierte Naturschutzpolitik gegensteuern können, sagte Remmel.
Die Ursachen des fortschreitenden Artensterbens sind hausgemacht: Hierzu gehören die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, der weiterhin kritische Zustand der Gewässer und der fortschreitende Flächenfraß. So verschwinden in NRW täglich etwa 10 Hektar an wertvollen Flächen, Brutstätten und Lebensräume für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten.