Pflanzen wehren sich nach Art der Eisernen Jungfrau

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Kalziumphosphat kommt typischerweise in Zähnen und Knochen vor. Jedoch ist inzwischen bekannt, dass das sehr harte Mineral zum Beispiel auch die Haare von Blumennesselgewächsen zur Abwehr von Fressfeinden stabilisiert. Botaniker der Universität Bonn haben nun herausgefunden, dass Kalziumphosphat in der Pflanzenwelt viel weiter verbreitet ist als bisher gedacht. Sogar die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) nutzt mit dem Biomaterial gehärtete Stacheln, um etwa Blattläuse nach dem Vorbild der Eisernen Jungfrau zu durchbohren. Die Ergebnisse sind nun vorab online im Fachjournal „Planta“ veröffentlicht. Die Druckfassung erscheint im Januar.

In der Landwirtschaft gilt die unscheinbare Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) schlicht als Unkraut. In der Wissenschaft dient sie jedoch seit vielen Jahrzehnten unter anderem in der genetischen, molekularbiologischen und physiologischen Forschung als Modellorganismus schlechthin. „Sie ist mit Sicherheit die am besten untersuchte Pflanze überhaupt“, sagt Prof. Dr. Maximilian Weigend vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn. „Umso überraschender ist es, dass das Kalziumphosphat in den Spitzen der Arabidopsis-Haare erst jetzt entdeckt wurde.“ Das Team um Prof. Weigend war der zahnharten Substanz mit dem Elektronenmikroskop und dem Raman-Spektroskop auf die Schliche gekommen.

Dass nicht nur Tiere, sondern auch Pflanzen „Zähne“ zur ihrer Verteidigung nutzen, haben die Botaniker der Universität Bonn zuvor mit Hilfe von Hans-Jürgen Ensikat an Blumennesselgewächsen (Losaceae) herausgefunden. Daraufhin weiteten die Wissenschaftler des Nees-Instituts ihre Forschung auf andere Pflanzenordnungen aus. Bei mehreren Dutzend Pflanzenarten verschiedenster Verwandtschaftskreise wurden sie fündig, zum Beispiel bei den Rosenartigen (Rosales), Raublattartigengewächsen (Boraginales) und den Kreuzblütlerartigen (Brassicales) – zu Letzteren gehört auch die Acker-Schmalwand.

Scheinbar weiche Haare sind spitze Waffen
„Von vielen Pflanzen war bekannt, dass sie in ihren Haaren glasartiges Silikat oder Kalk zur Versteifung einlagern“, berichtet Weigends Mitarbeiter Adeel Mustafa. „Es war nun sehr überraschend zu sehen, dass auch viele Arten das besonders harte Kalziumphosphat nutzen und dass dies bis vor kurzem übersehen wurde.“ Dabei verfügt die Ackerschmalwand nicht über piksende und schmerzende Haare wie etwa die Brennnessel, die damit etwa gefräßige Kühe und andere Weidetiere abwehrt. Bei Arabidopsis sind die Haare klein und vergleichsweise weich – nur in den winzigen Spitzen befindet sich das besonders harte, zahnartige Kalziumphosphat. „Das Biomineral scheint genau dort abgelagert zu werden, wo es zu einer besonders großen mechanischen Beanspruchung kommt“, erklärt Weigend.

Mikroskopie-Aufnahmen zeigen aufgespießte Blattläuse
Die Acker-Schmalwand wehrt sich mit ihren harten Haarspitzen vor allem gegen Kleinstinsekten, wie zum Beispiel Blattläuse. Wie die elektronenmikroskopischen Aufnahmen der Wissenschaftler zeigen, stellt der Wald aus gehärteten Dornen ein schier unüberwindliches Hindernis dar. Wie mit dem mittelalterlichen Folterinstrument der Eisernen Jungfrau werden die Läuse an solchen speziell gehärteten Haaren aufgespießt. „Es handelt sich also um kleinskalierte Abwehrwaffen, die zahlreiche Insekten von einer Schädigung der Pflanze abhalten“, sagt Weigend.

Eigentlich sei erstaunlich, dass nicht noch mehr Gewächse das Biomineral Kalziumphosphat nutzen, zieht Mustafa ein Fazit. Kalzium und Phosphat sind nahezu universell in Form anderer Verbindungen in Pflanzen vorhanden. Aufgrund ihrer Härte sind Silikat und Kalziumphosphat dem weit verbreiteten Kalk weit überlegen. Offenbar ist die Fähigkeit, die Härchen mit Kalziumphosphat zu verstärken, im genetischen Bauplan festgelegt. „Die Entschlüsselung der genetischen Basis der Ausbildung dieser Waffen wäre der notwendige nächste Schritt – dann könnte man solche sich selbst verteidigenden Pflanzen auch als Vorbilder für die Zucht insektenresistenterer Kulturarten nutzen“, wagt Weigend einen Ausblick in die Zukunft. (Rheinische Friedhelm-Wilhelms-Universität Bonn)