Rotmilane brauchen mehr Unterstützung – das ist die Botschaft einer Tagung von rund 40 Greifvogelexperten und Artenschützern, die gestern in Weimar stattgefunden hat. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL) hatte im Rahmen des Projektes „Rotmilan – Land zum Leben“ in die Kulturstadt geladen. Vertreter aus verschiedenen Rotmilan-Projekten in Deutschland stellten ihre Arbeit vor. Besonders in Deutschland sind die Vogelschützer gefordert, denn mehr als Hälfte aller Rotmilane brütet hier. Doch der Bestand nimmt ab und die Experten sind sich einig: Der Hauptgrund für den Rückgang des Greifvogels liegt im Wandel der Agrarlandschaften. Allein Getreide und Raps machen jährlich zwei Drittel der Gesamt-Ackerfläche in Deutschland aus. Besonders zur Zeit der Jungenaufzucht im Mai und Juni kann auf diesen Flächen keine Nahrung gefunden werden, da die Kulturen zu dicht stehen. Dies hat spürbar negative Folgen für den Nachwuchs der Art. Mit gezielten Maßnahmen aber lässt sich die Landschaft „rotmilanfreundlicher“ gestalten.
Das Projekt „Rotmilan – Land zum Leben“ setzt auf enge Zusammenarbeit mit den Landnutzern und berät sie in neun Regionen in sieben Bundesländern zur Umsetzung dieser Maßnahmen. Erste Erkenntnisse aus dem Projekt präsentierte Uwe Lerch vom DVL. Infolge der Beratung konnten die Störungen während der Brutzeit in den Waldgebieten deutlich reduziert und Fällungen von Nestbäumen vermieden werden. Auch in der Landwirtschaft trägt die Kooperation zunehmend Früchte. Lerch: „Die Bereitschaft zur Umsetzung von „rotmilanfreundlichen“ Agrarumweltmaßnahmen und Greening ist da, aber viele Maßnahmen sind noch verbesserungswürdig! Programmänderungen während einer laufenden Förderperiode oder die zeitweise Aussetzung der Förderung einzelner Maßnahmen zerstören das Vertrauen der Landnutzer und sind daher völlig unakzeptabel. Auch müssen die Programme der Länder ausreichend finanziell ausgestattet und möglichst unbürokratisch sein.“
Um die Bedürfnisse der Art zu erforschen und Schutzmaßnahmen zu überprüfen, setzen die Spezialisten auf modernste Technik: Sprichwörtlich federleichte GPS-Logger sammeln jahrelang Flugdaten der Vögel und lassen so erkennen, in welchen Kulturen besonders gut Beute gejagt werden kann. Thomas Pfeiffer aus Weimar konnte anhand der Daten nachweisen, dass Rotmilane immer wieder Grenzstrukturen wie Feldhecken, Feldwege und Ackerränder zur Nahrungssuche zielgerichtet absuchen. Auf deren Bedeutung wies auch Maik Sommerhage vom NABU Hessen hin. Jakob Katzenberger vom Dachverband Deutscher Avifaunisten ergänzt, dass Grünland von den Vögeln viel intensiver genutzt wird als Ackerkulturen, da sie aufgrund der dicht stehenden Kulturen kaum Nahrung finden. Dr. Eckard Gottschalk und seine Studenten von der Universität Göttingen untersuchen mithilfe von Nestkameras die Nahrungszusammensetzung und erforschen Einflüsse auf den Bruterfolg der Rotmilane. Sie nutzen ein breites Beutespektrum und profitieren daher von einer abwechslungsreichen Landschaft. Dass die Jungvögel mit immer weniger Futter ins Leben starten, bestätigen auch die Daten von Thomas Pfeiffer. Seit 34 Jahren beringt er Jungvögel und wiegt sie. „Der Nachwuchs wird immer leichter und hat dadurch im ersten Lebensjahr geringere Überlebenschancen“, so Pfeiffer.
Uwe Lerch: „Aufgrund des kleinen Verbreitungsgebietes des Rotmilans kommen effiziente Schutzmaßnahmen in Deutschland direkt der gesamten Weltpopulation zugute“. Ein guter Grund, die Kooperation der Fachleute zu verstärken. Daher wollen sich die Experten von nun an jährlich treffen, um neueste Projekt- und Forschungsergebnisse auszutauschen. Das Projekt „Rotmilan – Land zum Leben“ wird vom Bundesamt für Naturschutz im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt gefördert.