Rotwild macht einen Bogen um Schafsherden

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Studie der Hochschule Eberswalde untersucht Wechselwirkungen von Beweidung auf heimische Wildtiere.
Stört eine Beweidung mit Schafen und Ziegen das heimische Rotwild? Diese Frage behandelte eine Studie, die die gemeinnützige Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das DBU Naturerbe, bei der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Auftrag gab. Inzwischen haben Forschende des Fachgebiets Wildbiologie die Wechselwirkungen von extensiver Beweidung für den Naturschutz und heimischen Wildtieren auf der DBU-Naturerbefläche Glücksburger Heide im Landkreis Wittenberg untersucht und ihre Ergebnisse veröffentlicht.
GPS-Sender liefern Daten zum Raumverhalten von Rotwild
„Es konnte festgestellt werden, dass Rotwild die beweidete Fläche und auch das Umfeld zeitweise gemieden hat – auch wenn die Schafherde nachts nicht da war. Nach Abzug der Herde normalisierte sich die Rotwildbewegung auf die Beweidungsfläche nach einigen Wochen aber wieder“, erläutert Dr. Jörg Tillmann, stellvertretender fachlicher Leiter im DBU Naturerbe. Letztlich würden sowohl das Rotwild als auch die zur Landschaftspflege eingesetzten Schafe dazu beitragen, die abwechslungs-reiche Heidelandschaft auf der DBU-Naturerbefläche Glücksburger Heide auch im Sinne der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zu erhalten. Der Offenlandmanager unterstreicht die Bedeutung des Einsatzes von Schafen und Ziegen im Naturschutz: „Auf den meisten unserer 71 DBU-Naturerbeflächen mit rund 70.000 Hektar setzen wir auf Beweidungskonzepte, um wertvolle Wiesen und Heiden zu pflegen. Als Naturschützer liegt uns aber natürlich auch die Lebensraumerhaltung der großen heimischen Wildtiere am Herzen und dementsprechend auch eine Versachlichung der Diskussion, ob eine Haustier-Beweidung nachhaltig heimische Wildtiere verdrängt“, so Tillmann. Im Rahmen der Studie wurde untersucht, wie sich eine zeitweise Beweidung mit Schafen und Ziegen auf das Raumverhalten vom Rotwild auswirkt. Die Wildtiere
wurden mit GPS-Sendern versehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten ihre Bewegungen und setzten diese in Beziehung zur gehüteten Schafherde.
Mögliche Gründe fürs Ausweichen: Nahrungskonkurrenz, Störung und das Wolfsrudel
In der wissenschaftlichen Veröffentlichung „Displacement Effects of Conservation Grazing on Red Deer Spatial Behaviour“ von Fabio Weiss, Frank Uwe Michler, Benjamin Gillich, Tillmann und weiteren Autorinnen und Autoren interpretieren die Forschenden die Rotwildreaktion: „Sicherlich spielt die Nahrungskonkurrenz eine Rolle, aber auch die Störung, die von den Schafen und Ziegen in Kombination mit Schäfer und Hütehund und ihren Aktivitäten ausgeht“, so Tillmann. In der Weidesaison falle es dem Rotwild zudem leicht auf umliegende landwirtschaftliche Flächen auszuweichen, die in dem Zeitraum auch ein attraktives Futterangebot bieten. „Eine weitere Hypothese ist, dass sich das in der Region etablierte Wolfsrudel häufiger im Umfeld der Schafhutung aufhält, was wiederum ein Ausweichen des Rotwildes in diesem Umfeld nach sich ziehen könnte“, ergänzt Tillmann. Auch wenn das Rotwild in der Weidesaison die Flächen mit Schafbeweidung meidet, dürften die Wildtiere unterm Strich von der Landschaftspflege profitieren, da mithilfe der Beweidung von Schafen und Ziegen große Heideflächen auch als Futterflächen für das Rotwild offengehalten werden und nicht verbuschen. Zudem werde die Qualität des Weideaufwuchses durch die Verjüngung der Futterpflanzen gesteigert.
Glücksburger Heide gehört zum Nationalen Naturerbes
Ab 1936 beanspruchte die Wehrmacht die rund 2.600 Hektar große Glücksburger Heide als Truppenübungsplatz, insbesondere für die Luftwaffe. Ein 400 Hektar großes Areal diente als Bombenabwurfgebiet. Nach 1945 nutzten russische Streitkräfte die Fläche als Panzerübungsplatz. Es gab Schießplätze und einen Hubschrauberlandeplatz. Nach der Wende 1990 wurde der Militärbetrieb eingestellt und 2008 übernahm das DBU Naturerbe die Fläche als Teil des Nationalen Naturerbes. Der Bund verzichtet seit 2005 auf den Verkauf ausgewählter, wertvoller Naturflächen im Bundeseigentum und hat bislang rund 164.000 Hektar stattdessen dem Naturschutz gewidmet und an Stiftungen, Naturschutzverbände oder Bundesländer übertragen. Im DBU Naturerbe sollen offene Lebensräume mit seltenen Tier- und Pflanzenarten durch Pflege bewahrt, Wälder möglichst ohne menschlichen Eingriff ihrer natürlichen Entwicklung überlassen, strukturarme Forste zu naturnahen Wäldern umgewandelt und Feuchtgebiete sowie Gewässer ökologisch aufgewertet oder erhalten werden. Zudem möchte die DBU-Stiftungstochter Menschen für die heimische Natur begeistern. (DBU)