Seepferdchen sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Tiere. Ihr Name lässt eigentlich nicht vermuten, dass sie zu den Fischen gehören. Aber es ist tatsächlich so! Seepferdchen sind schuppenlose Knochenfische. Ihr ungewöhnliches äußeres Erscheinungsbild mit dem pferdeähnlichen Kopf und dem wurmförmigen Körper sind für den Namen „Pferderaupe" beziehungsweise Hippocampus verantwortlich.
Schon seit Jahrhunderten ranken sich Geschichten und Mythen um diese skurrilen Fische. In der römischen Mythologie zogen sie den Streitwagen des Meeresgottes Neptun und in vielen Ländern Asiens schreibt man ihnen sogar heute noch magische Kräfte und Heilwirkungen zu.
Schwebende Bewohner der Seegraswiesen
Mittlerweile wurden über 70 verschiedene Seepferdchenarten beschrieben, von denen die kleinsten kaum zwei Zentimeter groß werden und die größten Arten beachtliche 35 Zentimeter erreichen können. Die meisten Seepferdchen leben gut getarnt in Korallenriffen, Mangrovensümpfen oder in den dichten Seegraswiesen der tropischen und subtropischen Meere. Hier schweben sie aufrecht, langsam und scheinbar ganz gelassen zwischen dem dichten Grün umher und entziehen sich so, als regelrechte Meister der Tarnung, den Blicken ihrer Fressfeinde. Häufig haben sie Hautauswüchse, die ihnen ein algen- oder korallenähnliches Aussehen verleihen. Sie können, wie ein Chamäleon, ihre Körperfarbe der Umgebung und ihrer Stimmung anpassen. Ihr Körper ist von harten Platten bedeckt, die ihnen einen zusätzlichen Schutz vor Feinden bieten.
Auch die senkrechte Schwimmhaltung der Seepferdchen ist einzigartig im Tierreich. Gerade aufgerichtet thront auf ihrem langen Hals der pferdeähnliche Kopf mit dem länglichen Trompetenmaul und großen Knopfaugen. Der dickliche Bauch wirkt fast, wie bei einem Kleinkind, herausgestreckt und die durchsichtige, kaum wahrnehmbare Rückenflosse flirrt beim Schwimmen schnell hin und her, um den Auftrieb zu liefern. Die Brustflossen dienen als Steuerorgane und der Schwanz hat sich als sogenannter Wickelschwanz entwickelt, mit dem sie sich an langen Algen, Korallenästen oder Seegras festhalten können. So verankert, lassen sie sich gern in der Strömung hin und her treiben.
Was einerseits gelassen und unschuldig aussieht, ist anderseits eine ausgeklügelte Jagdtaktik. Denn Seepferdchen gehören zu den Lauerjägern. Fast unbeweglich warten sie auf herannahende Beute wie kleinste Krebse, Fischlarven oder Schwebgarnelen und suchen mit ihren unabhängig voneinander beweglichen Augen, chamäleongleich die Umgebung in allen Richtungen nach Nahrung ab. Erspähen sie eins dieser winzigen Beutetiere in ihrer unmittelbaren Nähe, wird es mit dem länglichen Röhrenmaul einfach blitzschnell, wie mit einem Staubsauger, eingesogen und sofort geschluckt. Diese Saugbewegung gehört übrigens zu den schnellsten Bewegungen im Tierreich.
Ausdauernde Tänzer
Zuerst ausdauerndes Werben, dann innige Tänze, später trächtige Männer und täglich ein charmantes Morgenritual: So könnte man das Paarungs- und Fortpflanzungsverhalten der Seepferdchen in Kurzform zusammenfassen. Dies wäre aber zu voreilig, denn gerade dieses Verhalten ist so fantastisch, einzigartig und außergewöhnlich, dass sich der detaillierte Blick lohnt und viele Menschen regelrecht verzückt.
Begegnen sich interessierte Männchen und Weibchen in der Paarungszeit, geben sie ihr normales Verhalten auf und nähern sich zunächst in einem stunden- teilweise auch tagelang dauernden Balzritual an. Hierbei schwingen die grazilen Seepferdchen ihren Körper synchron hin und her, wiegen sich wie bei einem Tanz im Rhythmus mit den Algen vor und zurück und winden ihre Schwänze ineinander. So verhakt, verweilen sie einige Momente, um sich dann wieder zu lösen und ihre Körper mit weiteren sanften Bewegungen in Gleichklang zu bringen. Mit steigender Erregung beginnen ihre Körper oft in rötlichen Tönen zu leuchten und das Männchen gibt brummende Balzgeräusche von sich.
Wenn beide Seepferdchen paarungsbereit sind, recken sie ihre trompetenförmigen Schnauzen nach oben und wenden sich Bauch an Bauch einander zu. Das Weibchen führt mit seinem Eiablageapparat bis zu 200 Eier in eine vorbereitete, mit frischem Wasser durchspülte, Bruttasche am Bauch des Männchens ein. Danach befruchtet das Männchen die Eier mit seinen Spermien. Über zwei Wochen wird der Nachwuchs über die Blutgefäße an der Innenwand der Bruttasche mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Dabei wird der Brutbeutel bis zum Zeitpunkt der Geburt von Tag zu Tag dicker. Dann öffnet er sich und das Männchen schleudert mit heftigen Zuckbewegungen, fast wie unter Wehen, die winzigen kleinen Seepferdchen aus dem Beutel. Der Nachwuchs sieht wie eine Miniaturausgabe seiner Eltern aus und ist direkt nach der Geburt von erstem Tag an auf sich selbst gestellt.
Die meisten Seepferdchen leben monogam und treffen sich jeden Morgen zu einem kurzen Ritual, bei dem sie ihre Schwänze für einen kurzen Tanz umeinander schlingen, bevor jeder allein für sich auf Nahrungssuche durchs Revier schwebt. Kurz nach der Geburt ihrer Jungen beginnen die Seepferdcheneltern wieder mit ihrem außergewöhnlichen Balzverhalten. Denn während der Nachwuchs in der Bruttasche des Männchens heranreifte, konnten sich bei dem Weibchen schon wieder zahlreiche neue Eier entwickeln.
Und im Aquarium geht’s weiter
Je mehr man über das Leben und die Liebe der Seepferdchen erfährt, umso verständlicher wird der Wunsch, diese faszinierenden Fische auch im eigenen Aquarium bestaunen zu wollen. Wenn einige wichtige Hinweise beachtet werden, ist dies für erfahrene Aquarianer mit Disziplin und konstanter Pflege auch möglich.
„Am besten hält man Seepferdchen in einem Becken, das mindestens 100 Liter fasst, relativ hoch ist und dekoriert es dicht, unter anderem auch mit Caulerpa-Algen. Lebende Steine, Korallen und Dekoration müssen genügend Haltemöglichkeiten für die Aufrechtschwimmer bieten", erläutert Roland Zobel von der Fördergemeinschaft Leben mit Heimtieren e.V.. „Da Seepferdchen überwiegend monogam leben, sollten möglichst Paare gehalten werden. Seepferdchen sind Fische für das Artenbecken, da viele andere schnell schwimmende Fischarten für die langsameren Seepferdchen Nahrungskonkurrenten darstellen. Eine große Herausforderung ist die Umgewöhnung der Seepferdchen auf Frostfutter, wenn nicht tagtäglich genügend Lebendfutter in Form von Kleinkrebsen bereitgestellt werden kann. Der gut sortierte Zoofachhandel ist hier eine gute Futterquelle. Gelingt einem die Haltung und die nicht schwierige – aber sehr zeitaufwändige Nachzucht – kann man sich tagtäglich an den wundersamen Wesen mit ihren bizarren Aussehen erfreuen, kommt aus dem Staunen nicht raus und wird dabei gelassen wie ein Seepferdchen." (Quelle: FLH)