Sowohl bei Vögeln als auch bei anderen Arten können Paare erhebliche Schwierigkeiten bei der Fortpflanzung haben. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen haben in einer umfangreichen Analyse mit 23.000 Zebrafinkeneiern gezeigt, dass die Unfruchtbarkeit hauptsächlich auf die Männchen zurückzuführen ist, während die hohe Embryonensterblichkeit eher ein Problem der Weibchen ist. Inzucht, das Alter der Eltern und die Bedingungen, unter denen die Küken aufwuchsen, hatten überraschend wenig Einfluss darauf, ob sich Nachwuchs einstellte.
Zebrafinken sind kleine Singvögel, die aus Australien stammen. Als koloniebewohnende Körnerfresser sind sie leicht in Volieren zu halten, und sie vermehren sich bei günstigen Haltungsbedingungen das ganze Jahr über. Dennoch bleiben trotz vorausgegangener Paarung oft ein Viertel der Eier unbefruchtet, und bei einem weiteren Viertel der Eier sterben die Embryonen während der Entwicklung. Forscher*innen am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen haben daher eine Studie durchgeführt, um die möglichen Ursachen für eine erfolglose Fortpflanzung zu untersuchen.
Dabei verfolgten die Wissenschaftler*innen das Schicksal von mehr als 23.000 Eiern. Sie analysierten die Langlebigkeit, Produktivität, Unfruchtbarkeit, Sterblichkeit der Nachkommen und andere fitnessbezogene Merkmale, die für beide Geschlechter die meisten Phasen der Fortpflanzung abdecken. Scheinbar naheliegende Gründe wie Inzucht, Alter der Eltern und frühe Lebensbedingungen haben in der Studie zwar Auswirkungen auf die Fortpflanzungsleistung der Zebrafinken, die Effekte sind jedoch verschwindend gering. Dies deutet darauf hin, dass Individuen gegen eigentlich schlechte Bedingungen bemerkenswert robust sind und die Ursachen anderswo liegen müssen.
Wenn die Partner getauscht werden, um neue Paare zu bilden, wird deutlich, dass Probleme mit der Fruchtbarkeit typischerweise beim Männchen bleiben, während Probleme mit der Embryonensterblichkeit meist beim Weibchen bestehen bleiben. „Natürlich spielt bei beiden Problemen auch die Paarkombination eine Rolle", sagt Yifan Pei, Doktorandin in Seewiesen, „denn die Bildung eines lebensfähigen Embryos erfordert ja Gene von beiden Eltern“.
Auch wenn die Hauptursachen der Unfruchtbarkeit und der Embryonensterblichkeit der Nachkommen nicht identifiziert werden konnten, so zeigt sich doch ein messbarer Effekt genetischer Ursachen. Diese Ergebnisse sind etwas überraschend, denn die natürliche Selektion sollte genetischen Varianten begünstigen, die die Fortpflanzung optimieren. Jedoch können einige Genvarianten, die für das eine Geschlecht vorteilhaft sind, für das andere Geschlecht nachteilig sein. Tatsächlich deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Genvarianten, welche die männliche Fruchtbarkeit verringern, auf die weibliche Fortpflanzungsleistung tendenziell positive Auswirkungen haben – und umgekehrt. Dieser Effekt ist unter dem Fachbegriff "sexuell antagonistische Pleiotropie" bekannt und könnte erklären, warum solche genetischen Varianten in der Population fortbestehen.
Viele Gene beeinflussen den Fortpflanzungserfolg von Zebrafinken. Trotz der Entwicklung hochentwickelter genomischer Techniken ist es nach wie vor schwierig, alle genetischen Komponenten zu identifizieren und zu untersuchen – ganz zu schweigen von der Wechselwirkung zwischen diesen Genen und der Gene mit ihrer Umwelt. „Die Ergebnisse der Studie haben uns immerhin gezeigt, wo es sich nicht zu suchen lohnt“, sagt Bart Kempenaers, Direktor der Abteilung. „Scheinbar offensichtliche genetische Ursachen für eine erfolglose Fortpflanzung wie zum Beispiel Inzucht tragen weit weniger dazu bei, als wir zunächst dachten“.
Wolfgang Forstmeier, der die Studie betreut hat, ergänzt: „Jetzt konzentrieren wir unsere Arbeit auf ein etwas mysteriöses Chromosom, das nur in der Keimbahn existiert, also in Zellen, die die Eizelle und das Spermium bilden, nicht aber in den Körperzellen von Vögeln. Da es schwierig ist, Proben aus den Fortpflanzungsorganen lebender Tiere zu nehmen, ist die Untersuchung der Ursachen kompliziert. Aber das Chromosom ist ein heißer Kandidat für den Ursprung der Probleme". (Max-Planck-Institut für Ornithologie)