In Deutschland gibt es wieder ein Vogelsterben, das durch das tropische Usutu-Virus ausgelöst wird. Vor allem Amseln sind betroffen. NABU und Tropenmediziner bitten die Bevölkerung erneut um Mithilfe, erkrankte oder verendete Vögel über ein Online-Formular zu melden oder Proben toter Tiere zur Untersuchung an das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg zu senden.
Unter www.nabu.de/usutu-melden können Beobachtungen toter Vögel gemeldet werden. Dort findet sich auch eine Anleitung zum Verschicken toter Tiere. Erstmals wurde das nach einem südafrikanischen Fluss benannte tropische Virus 2010 in Stechmücken in Deutschland festgestellt. Es löste 2011 und 2012 in Deutschland erstmals ein Massensterben unter heimischen Vögeln, darunter vor allem Amseln, aus. Nach einigen Jahren ohne größere Ausbrüche, tritt das Virus nun in diesem Jahr wieder vermehrt auf.
Seit Ende Juli häufen sich beim NABU Meldungen kranker und kurze Zeit später verstorbener Amseln. Etwa 100 dieser Beobachtungen aus Deutschland sind bisher eingegangen. Die meisten Meldungen kranker und toter Amseln stammen aus den bereits zuvor betroffenen wärmebegünstigten Regionen Deutschlands entlang des gesamten Rheintals sowie am Untermain und am unteren Neckar. Weitere Verdachtsmeldungen erreichten den NABU aber auch aus bisher nicht betroffenen Regionen, z.B. aus dem Leipziger Raum und aus Berlin. Inzwischen konnten Forscher des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin für einige dieser Fälle bestätigen, dass das Usutu-Virus tatsächlich die Todesursache ist. Auch in Frankreich, Belgien und den östlichen Niederlanden wurde das Virus in diesem Jahr bereits in toten Vögeln nachgewiesen.
„Durch das Virus verursachte Todesfälle unter Vögeln treten jeweils während der Mückensaison von Mai bis November auf. Befallene Vögel wirken offensichtlich krank, werden apathisch und flüchten nicht mehr und sterben meist innerhalb weniger Tage. Fast immer sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird, weshalb die Usutu-Epidemie auch als ‚Amselsterben‘ bekannt wurde“, sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Allerdings werden auch andere Vogelarten von diesem Virus befallen und können auch daran sterben. Das Überwiegen der Amseln lässt sich zum Teil durch deren Häufigkeit und Nähe zum Menschen erklären, was die Wahrscheinlichkeit des Auffindens toter Amseln erhöht. Aber eine besondere Empfindlichkeit dieser Art gegenüber dem Virus ist ebenfalls möglich.
Das Virus ist für Menschen ungefährlich. In ganz Europa konnten bisher erst fünf Infektionen beim Menschen festgestellt werden, meist bei Personen mit vorgeschädigtem Immunsystem.
„Der Ausbruch dieses für Deutschland neuen Virus stellt eine einmalige Chance dar, die Ausbreitung und Folgen einer neuen Vogelkrankheit zu verfolgen und zu analysieren. Die wichtigste Datengrundlage dazu bilden Meldungen toter und kranker Amseln aus der Bevölkerung, sowie eingeschickte Proben toter Vögel, die auf das Virus untersucht werden können“, so Lachmann weiter. Der NABU arbeite daher mit den BNI-Wissenschaftlern daran, die Ausbreitung des Virus und seine Auswirkungen auf unsere Vogelwelt zu dokumentieren und zu verstehen, um diese neuartige Gefährdungsursache von Vogelarten auch im Vergleich mit anderen Gefährdungsursachen beurteilen zu können.
Hintergrund
Mit Hilfe einer Internet-Meldeaktion 2011 konnte der NABU den Verlauf des Ausbruchs 2011 gut dokumentieren und auswerten. Eine Auswertung der Daten aus den großen wissenschaftlichen Mitmach-Aktionen des NABU „Stunde der Wintervögel“ und „Stunde der Gartenvögel“, konnte nachweisen, dass die Amselbestände in den damals nachweislich vom Virus betroffenen 21 Landkreisen zwischen 2011 und 2012 merklich zurückgegangen sind und somit bei einem bundesweiten Gesamtbestand von rund acht Millionen Brutpaaren möglicherweise 300.000 Amseln dem Virus zum Opfer gefallen sein könnten.
Der weitere Verlauf des Auftretens von Usutu-Erkrankungen lässt sich schwer vorhersagen. Die Vermehrung und Verbreitung der Viren hängt vor allem von der Witterung in den Sommermonaten ab: je wärmer der Sommer umso mehr Viren, Stechmücken und infizierte Vögel sind zu erwarten. Andererseits geht man davon aus, dass die Vögel zunehmend individuell erworbene Resistenzen gegen dieses neue Virus entwickeln, so dass sich das Virus vermutlich räumlich weiter ausbreiten, aber nicht mehr zu so offensichtlichen Massensterben wie im Jahr 2011 führen wird. Stattdessen ist zu erwarten, dass es in den betroffenen Gebieten zu zyklisch wiederholten Ausbrüchen kommen wird, sobald eine Generation von Amseln mit erworbener Resistenz von der nächsten Amselgeneration abgelöst wird.