Die Wirkung von Natur auf den Menschen ist Thema zahlreicher unterschiedlicher Studien und bietet enormes Forschungspotenzial.
Die Biologin und Umweltpsychologin Dr. Claudia Menzel arbeitet an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau und beschäftigt sich dort im Forschungsbereich Umweltpsychologie u.a. mit der Interaktion zwischen Menschen und Umwelt. Sie geht aber auch der Frage nach, welche Auswirkungen lebendiges Grün in Innenräumen auf unsere Psyche hat. Darüber spricht sie ausführlich im Podcast „CHLOROPHYLL- der Wirkstoff Grün".
Gerade die zurückliegende Zeit der Pandemie war für die Forschung interessant. Das Arbeiten im Homeoffice und die damit einerseits verbundene Isolation, andererseits das ständige Aufeinanderhocken der ganzen Familie, führte zu Mehrbelastung und Stress. Oft entstand dann der Wunsch nach Verschönerung oder Veränderung des Zuhauses, in dem man nun so viel Zeit verbrachte. An dieser Stelle kamen zumeist Zimmerpflanzen ins Spiel. Das ist laut Menzel kein Wunder: Denn Studien belegen, dass die Gewächse für positive Erlebnisse sorgen und das Wohlbefinden verbessern können. Blühende oder grüne Pflanzen wie Orchideen oder Monstera ermöglichen einfachen Naturkontakt in Innenräumen, machen einen Raum gemütlicher und attraktiver, wirken stimmungsverbessernd und stressreduzierend. Besonders, wer sich gerne mit den lebendigen Mitbewohnern umgibt, profitiert von all diesen Vorteilen. Und was daheim funktioniert, so unterstreicht Menzel, lässt sich auch am Arbeitsplatz feststellen: Untersuchungen zeigen, dass Grün im Büro einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter hat und sich sogar auf den Krankenstand auswirkt: „Wer während der Arbeit Zimmerpflanzen im Blick hat, ist im Schnitt weniger Tage krank", berichtet die Professorin.
Abgesehen von der Biophilie-Hypothese, die den Menschen eine angeborene Präferenz für alles Lebendige zuschreibt, gehen neuere Theorien übrigens davon aus, dass der Erholungseffekt von Natur erlernt wird: Wenn man angenehme Erlebnisse in der Freizeit mit einer grünen Umgebung verknüpft, assoziiert man diese schließlich mit Erholung. So oder so beruht die Wahl einer bestimmten Zimmerpflanze vermutlich auf einem unterbewussten Prozess.
Der Wirkstoff Grün
Für die positive Wirkung des lebendigen Grüns zählt Menzel im Podcast verschiedene Faktoren auf: Zum einen den visuellen, denn Pflanzen verschönern einen Raum. Wichtig dabei: eine Wahl zu haben. Denn je nach individueller Vorliebe freut man sich beispielsweise mehr über elegante weiße Orchideen oder bevorzugt doch lieber kräftige Violetttöne. Zum anderen hebt die Forscherin die „verstärkte Interaktion" mit den Gewächsen hervor: Man kann die Textur der Blätter erfühlen, den Geruch der Blüten und frischer Erde wahrnehmen und optische Veränderungen wie das Aufblühen der Pflanze erleben. Außerdem gibt eine erfolgreiche Pflanzenpflege ein Gefühl von Selbstwirksamkeit: „Wenn etwas blüht, das in der eigenen Obhut ist, macht das einen stolz", so Menzel. „Und selbst wenn man nicht extrem viel aktiv dafür getan hat, hat man ja trotzdem ein Umfeld geschaffen, das dieser Pflanze ermöglicht, zu überleben."
Nicht zuletzt darf auch im Zusammenhang mit Zimmerpflanzen der Beziehungsbegriff verwendet werden, denn viele Menschen bauen tatsächlich eine gewisse emotionale Bindung zu ihnen auf: Die Gewächse werden „Teil des Selbst" und begleiten verschiedenste Lebensstationen. Das erklärt vielleicht auch, warum es einigen schwerfällt, Zimmerpflanzen wegzuwerfen – das gilt besonders für solche, die einem geschenkt wurden, selbst wenn sie einem eigentlich nicht gefallen.
Forschungspotenzial gibt es weiterhin reichlich, so ist aus einigen Studien bekannt, dass der positive Effekt von Natur bei Frauen größer ist – eine Erkenntnis, die sich laut Menzel möglicherweise auch auf Pflanzen in Innenräumen übertragen lässt. Fest steht jedenfalls, dass Zimmerpflanzen – ob grün oder blühend – zahlreiche Vorteile für alle bieten, die sich nach mehr Naturerfahrung sehnen und etwas Gutes für ihre Gesundheit tun möchten. (GPP)